5 Wochen Norwegen/Schweden

  • Diese Reise ist dermaßen lange und nicht im Detail geplant, dass ich den ersten Teil lieber schon vor der Abfahrt schreibe. Norwegen ist ein reizvolles Reiseziel, allerdings auch richtig groß, nicht gerade nah, und als ich mal da war habe ich festgestellt, dass es sich nicht so richtig zum sportlichen Motorradfahren eignet. Für den jüngeren blahwas, zarte 33 Jahre alt, war das so halb ein Reinfall. Der gereifte blahwas, 44, hört inzwischen Podcasts beim Motorradfahren und hat sich 2024 endlich den Herzenswunsch erfüllt, ein Motorrad mit echtem Tempomat zu besitzen: Eine Aprilia Tuareg 660. So richtig verrückt ist daran eigentlich nur, dass es sich dabei nicht um eine solide Japanerin handelt, sondern um eine italienische Maschine, deren Qualitäts- und Zuverlässigkeitsansprüche doch hinter denen gut gereifter Japaner zurück bleiben. Eindrucksvoll unterstrichen wird dies durch die defekte Tankanzeige, bzw. den defekten Tankgeber. Der Händler kennt das Problem schon, "das haben alle!", im Teilekatalog hat das Teil bereits die dritte Bestellnummer, und es ist auch lieferbar, aber die Händler hat keine Zeit für die Montage. Ich muss also peinlich genau auf den Tages-Kilometerzähler achten. Ein 1 L-Benzinkanister ist mein einziger Rettungsring. Eine weitere Umstellung ist die Abwesenheit eines Tankrucksacks. Es fehlt schlicht an Platz. Eine Lenkertasche nimmt das nötigste auf (Wasser, Powerbank). Beim Motorrad waren zwei Seitenkoffer dabei und ein Topcaseträger, auf den mein altes altes Topcase passt.

    Weil Hotelübernachtungen in Norwegen um die 120 Euro kosten, nehme ich ein Zelt mit. Ich habe mir ein großes Zelt gegönnt: Es ist ein Tunnelzelt mit einer Schlafkabine, von der keine Seite kürzer als 2,20 Meter ist. Ich bin nämlich selbst 1,90 Meter und hasse es, an der Zeltwand anzustoßen. Meine letzte Motorradtour mit Zelt ist schon eine ganze Weile her. Ich muss zugeben, ich hoffe auf günstige Hütten.

    Es gab beim Passknacker schon länger Punkte in Norwegen, und auch einen Landespreis. Dieser hatte schon immer die meisten Kilometer zwischen den Punkten. Mit anderen Worten, wer in der Rangliste was werden wollte, fuhr da nicht hin. Es waren auch insgesamt wenig Punkte, und für mich war die Anreise immer arg weit, um das innerlich zu rechtfertigen. Zum Nordkapp ist es selbst auf dem schnellsten Weg 50% weiter als nach Moskau oder zum südwestlichen Eck Portugals. Und ich fahre nicht den schnellsten Weg. Dann kam eines schönen Jahres Schweden zusätzlich zum Passknacker dazu, und Norwegen hat zusätzliche Punkte = Ziele in der Datenbank bekommen. Dann war ich interessiert: Das lohnt die Anreise! Gut, was haben wir auf dem Teller?

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    118 Punkte in Norwegen und 36 Punkte in Schweden wollen angefahren werden. Ich habe zum Vergleich unten mal Deutschland mit eingeblendet damit man sieht: Norwegen und Schweden sind beide jeweils größer als Deutschland. In Ost-West-Richtung ist die Karte etwas verzerrt, aber nicht in Nord-Süd-Richtung. Es geht wirklich weit nach Norden. Norden-Weg, Nordweg, Norwegen eben. Mein Routenplaner sagt: 12000 km. Mein Kalender sagt: 4 Wochen hektisch, oder 5 Wochen entspannt. Hm! Was sagt meine Arbeit? Hat man mir beim Vorstellungsgespräch nicht was von Sabbatical erzählt? Ist nach dem Großereignis im Juni 2024 nicht eh erstmal Schluss mit Thema A, und Thema B noch gar nicht so dringend? Chef kann ich nicht fragen, der genießt gerade Elternzeit. Das zweite Mal übrigens, die kann man bei uns aufteilen. Er steht dem Work-Life-Thema also aufgeschlossen gegenüber und als er sich nach meiner Anfrage darin einliest, richtet er sich auch so ein Lebensarbeitszeitkonto ein, und genehmigt meinen Antrag für August 2024. Ich nehme die 3 Arbeitstage der letzten Juliwoche dazu und komme so auf sagenhafte 5 Wochen Urlaub, 35 Tage, mit dem Wochenende davor 37 Tage. So lange war ich noch nie auf Tour. Praktisch, dass das Versysforum Jahrestreffen zeitlich um räumlich am Rückweg liegt - als hätte ich es geplant :D

    5 Wochen alleine wäre lange. Aber wer macht sowas mit? Christoph macht sowas mit! Der macht sowas sogar häufiger, und wir haben wir eigentlich auch schon uns gegenseitig die Absicht erklärt, nach Wladiwostok zu fahren, und wenn man schon unterwegs ist, dann auch gleich die alte Seidenstraße, durch die "Stans". Leider hat dann jemand so 'nen albernen Landkrieg in (fast) Asien angezettelt und daher ist das alles nicht einfacher geworden. Wir waren schon zusammen in Kroatien, Bosnien, Montenegro unterwegs, und das "passt scho", wie der Franke sagt.

    Reisevorbereitung! Das Motorrad bekommt frische Reifen. Klar ist, dass es in Norwegen und Schweden schonmal regnen kann, und dass Reifenwechsel vor Ort nicht an jeder Ecke angeboten werden auch nicht zum Sparpreis. 12000 km ist nicht wenig, daher den Laufleistungskönig Conti TKC 70. Heidenau K60 in beiden Varianten würden vielleicht noch länger halten, aber da hätte ich Bammel im Regen. Ich kenne meine neue Aprilia Tuareg noch wenig, aber ich hatte eine baugleiche schon 1 Woche gemietet, daher weiß ich, dass das passen wird. Ich lasse noch meine Impfungen auffrischen und hole mir meine erste FSME-Impfung zum Schutz vor Zeckenbissen, denn Norwegen ist tatsächlich FSME Risikogebiet.

    Gepäck: Ich habe zwei Seitenkoffer und ein Topcase. Je 1 Seitenkoffer nimmt Übernachtungsgepäck und Zeltinneneinrichtung (Luftmatratze) auf. Das Topcase dient als Ersatz für den Tankrucksack, also für Getränke, Snacks, Motorradklamotten aller Art. Regensachen und eine zweite Garnitur dürfen mit. Außerdem Essen und Trinken vom Camping. Da fehlt mir noch etwas die zündende Idee. Letztes Mal, 2013, habe ich mich von Müsliriegeln und Fischkonserven ernährt. Inzwischen habe ich zwar mehr Geld, aber es gibt auch wenig bis keine Campingplätze mit Restaurant.

    Fahrerausrüstung: Es kann ausgiebig regnen. Neben Griffheizung und Sitzheizung nehme ich einen kompletten Satz Heizkleidung mit, also heizbare Socken, Hose, Jacke (alles zum drunter ziehen) und ein paar beheizte Handschuhe. Bei 5 Wochen kann man auch mal eine zweite Motorradhose mitnehmen mit fester Membran statt der sonst besser atmenden, die sich aber vollsaugt. Außerdem neue Stiefel und neue Handschuhe in der Hoffnung, dass sie dicht seien mögen. Ein Helmvisier mit Pinlock ist Pflicht. Ich wähle trotz bedenken das verspiegelte Visier. Ich fahre nicht nachts, es wird nie ganz dunkel, und es ist genug PKW- und Wohnmobilverkehr, dass ich in Tunnels im Notfall einfach Lichtern folgen könnte. Zur Kommunikation mit dem Mitfahrer schaffe ich nach diversen Enttäuschungen mit Sena ein Zweipack China-Intercoms an, die für 26 Euro das Paar lustig bunt leuchten, Bluetooth mit dem Handy können und auch direkt miteinander funken können.

    Mein Routenplaner ITNconverter kommt an seine Grenzen. Ich will auch nicht 37 Tagestouren vorbereiten und 37 Unterkünfte suchen. Ich habe eine Camping-App (NorCamp), und mich vorher bei https://www.bunkabiker.com/map schlau gemacht (kostenlose Übernachtungen von Motorradfahrern für Motorradfahrer). Außerdem habe ich mich bei https://ferrypay.no/ registriert, damit die Fährüberfahrten innerhalb Norwegen reibungslos klappen. Nach Norwegen komme ich wieder Hirtshals-Kristiansand, weil es die günstigste und schnellste Fähre ist. Dann fahre ich die große Runde im Uhrzeigersinn, und die gleiche Fähre wieder zurück.

    Technologisch habe ich außerdem Kreditkarten fünf verschiedener Banken dabei plus meine persönliche Tankstellenkarte (die aber nur bei Total und Elan funktioniert), damit es keine Probleme mit Limits gibt.

    Dies wird kein günstiger Urlaub. 1 Monat unbezahlter Urlaub... kostet ein Monatsgehalt, vielleicht abzüglich minimaler steuerlicher Effekte. Ein Motorrad von 6000 km auf 19000 km bringen kostet auch Geld. 36 Übernachtungen kosten auch Geld. Meine eigene Wohnung unterzuvermieten ist mir allerdings zu blöd. So richtig geizig wie früher bin ich auch nicht mehr. Dafür läufts in meinem Leben mittlerweile finanziell auf absehbare Zeit rund.

    Von 6000 km auf 19000 km fehlt natürlich ein 10000 km-Service. Der letzte wurde gerade erst gemacht. Will ich wirklich a) beim Vertragshändler und b) zu nordischen Preisen eine große Wartung durchführen lassen, oder verzichte ich nach der Reise auf mögliche weitere Garantieleistungen? Ich weiß es noch nicht.

    Routenübersicht, zusammengesetzt aus Screenshots von 4 Routen - ich stoße hier an die Grenzen meiner Tools.

  • Sa 27.7. Nürnberg - Hannover

    Heute ist der große Tag! Einpacken und abfahren! Natürlich habe ich schon gestern angefangen zu packen. Dieses Mal ist aber einiges anders. Ich war lange nicht mehr campen mit dem Motorrad, ich war noch nie so lange auf Reise, und ich habe ein neues Motorrad mit einem anderen Gepäcksystem. Insbesondere der fehlende Tankrucksack irritiert mich sehr. Ich packe in einen Koffer alle Camping-Sachen, die ins Zelt müssen, in den anderen Koffer alle Klamotten und Hygiene-Sachen, die ins Zelt bzw. Hotelzimmer sollen, in die Packrolle das Zelt, und in das Topcase alles, was ich unterwegs brauchen könnte (was früher der Tankrucksack war). Klingt einfach, ist es aber nicht, nichts passt so richtig und auch es fällt mir auch schwer meine Klamotten auszuwählen. Hose mit fester Membran oder Z-Liner? Es könnte länger regnen. Es wird am Nordkap nicht sonderlich warm sein. Also die wärmere Hose. Da passt aber der Verbindungsreißverschluss zur Jacke nicht. Kann ich da was basteln? Nicht so richtig. Alles nicht so einfach. Schließlich bin ich dann aber doch so weit, alles ist eingepackt, die Wohnung ist in einem Zustand, dass ich sie 5 Wochen alleine lassen kann und mich auch danach wieder zurecht finde, und so geht's gegen 10:30 los mit der Aprilia.

    Der erste Reiseabschnitt führt mich 10 Minuten weit zur nächsten Louis-Filiale. Ich brauche eine kleine Dose Kettenspray. Ich habe zwar einen Kettenöler an der Tuareg, aber keine Erfahrung damit und darum möchte ich mich auch nicht darauf verlassen. Die ersten Meter auf dem vollgepackten Reisemotorrad sind sehr ungewohnt, aber ich komme schnell zu recht. Übermäßig waghalsige Manöver verbieten sich angesichts der Breite, der Hecklastigkeit, und der frischen Reifen. Einfach mitrollen. Kettenspray kaufen, alles anziehen und los auf die Autobahn. Wegen angekündigter Schauer trotz 25 Grad mit Membranjacke. Das wird schon etwas warm, besonders im Stau. Ich übe für Skandinavien, außerdem ist mein Motorrad auffällig beladen, da will ich keine Aufmerksamkeit erregen. Heute geht's einfach nur nach Hannover, zu Christoph, dort die angefahrenen Reifen abladen und übernachten. Ich will mit frischen Reifen nach Norwegen und Schweden, damit ich dort möglichst nicht wechseln muss. Am Rückweg könnte ich die Reifen aber gut gebrauchen, denn ich fahre von Norwegen weiter ins Sauerland, Versysforum Jahrestreffen. Reifenprofil sparen heißt die Devise, und keine Hektik aufkommen lassen. Ich rolle mit Tempomat 110 über die Autobahn nach Norden. Google schlägt einen Weg ohne A7 vor, und so habe ich nach Erfurt auch einige Kilometer Bundesstraße. Vom Reifenprofil her wäre konstant Tempo 110 wahrscheinlich effektiver, aber schöner ist es hier schon.

    So geht's nördlich, sogar dicht am Harz vorbei, bzw. in Sichtweite der Kyffhäuser Problemstrecke. Die fahre ich heute garantiert nicht! Gelten Motorrad-Fahrverbote eigentlich auch für Motorräder mit 4 Reifen?

    Die Tuareg benimmt sich als Reisemotorrad so, wie ich es mir gewünscht habe. Sie tuckert gemütlich die Autobahn runter, der Tempomat ist für mich das Luxusfeature schlechthin. Die Sitzposition ist sehr gut, das Windschild scheint genau richtig zu sein. Ich habe jetzt Spotify als Podcastplayer und stelle erfreut fest, dass ich es auf dem Haupthandy in der Tasche abspielen kann mit dessen Datenverbindung, und dabei übers Navi-Handy am Lenker steuern kann. Eine kleine Panne gibt's auch: Die Verschraubung der Umlenkung vom Schalthebel auf der Schaltwelle ist lose, die Umlenkung wandert nach außen. Ich sehe es bei einer Pause, bevor ich es spüre, und kann sie mit meinem Werkzeug schnell wieder fixieren. Daran bin ich wohl selbst schuld, als ich die Abdeckung montiert habe.

    Kurz vor'm Ziel will ich mir in einer Drogerie Insektenabwehrspray kaufen - könnte beim Campen hilfreich werden. Ich werde von einer piependen Diebstahlwarnanlage begrüßt. Mit diversen Verrenkungen finde ich heraus, dass sowohl mein linker Stiefel als auch meine Handschuhe anscheinend noch eine Diebstahlsicherung enthalten, die die Online-Verkäufer nicht entfernt haben. Das Spray ist schnell gefunden, die Kassiererin zieht meine Handschuhe auch gern über die Kasse zur Deaktivierung der Diebstalsicherung... aber es hilft nicht, es piept weiter. Das kann ja ein vergnüglicher Urlaub werden. Wobei in Norwegen wohl wenig mit Diebstahlsicherungen los sein wird. Gegen 17 Uhr erreiche ich Christoph, meine Tuareg darf neben seiner Tenere in die Garage. Dann geht's unter die Dusche und lecker zum Inder. Anschließend Spaziergang mit Wegbier durch Hannover-Linden, mit Besichtigung der Halbruine Ihme-Zentrum. Ein Hauch von Dystopie mitten in einer lebendigen Stadt. Ein netter Abend in guter Gesellschaft.

    475 km heute, 0 Passknacker

    Guter erster Tag! Morgen Abend bin ich schon in Norwegen :) Die Wettervorhersage für die nächsten 7 Tage ist derweil ausgezeichnet.

  • So 28.7. Hannover-Kristiansand

    Heute früh wurde etwas ungeplant. Eigentlich wollte ich den alten Reifensatz in Hannover bei Christoph lassen, und ihn am Rückweg montieren. Leider passt Christophs Rückreise aber zeitlich nicht ganz zu meiner Weiterreise. Mit Merlin aus dem Aprilia-Forum tut sich aber eine neue Option auf: Er wohnt in der Nähe von Lübeck und hat Zeit, Platz, und ein Montiergerät. Das wird also heute mein erstes Zwischenziel. Ansonsten will ich nur einmal durch Dänemark fahren und die Fähre nach Kristiansand, Norwegen erreichen.

    Nach dem Frühstück gibt’s den vorläufigen Abschied von Christoph. Wir sehen uns wieder in Norwegen in etwa einer Woche. Er hat noch was anderes vor. Ich bin lang genug unterwegs und auf ausreichend verschlungenen Pfaden, dass er später starten und mich dann einholen kann. Aber ich darf noch seine Werkstatt benutzen, und meine Tuareg optimieren: Der Tankeinfüllstutzen bekommt zusätzliche Löcher, auf dass beim Tanken die Luft besser aus dem Tank entweichen kann.

    Richtung Lübeck ist auf der Autobahn einigermaßen viel Verkehr mit diversen Staus. Google Maps schickt mich manchmal runter und später wieder drauf. Das scheint insgesamt sehr zu helfen, denn wenn ich von der Umleitung aus die Autobahn sehen kann, steht da alles. Interessant ist ein Militärübungsplatz mit Panzerstraßen, die extra beschildert sind wie Fahrradwege: Blaues Schild mit weißem Panzer. Merlin wohnt gar nicht SO nah an Lübeck, aber so habe ich etwas Abwechslung an diesem eher autobahnlastigen Tag und fahre über ein paar Dörfer. Sein Haus ist schnell gefunden, ich bewundere seine Tuareg und seinen sonstigen Fuhrpark, muss mich aber bald verabschieden – bis zur Fähre ist es noch ein weiter Weg, weg ist weg und ich habe keine Lust auf Stress. Also wieder los, B76. Den Imbiss am kleinen Plöner See erkenne ich aber wieder von einem Versysforum Jahrestreffen, und etwas Hunger hätte ich auch? Zeit für eine Pommes. Der Imbiss am kleinen Plöner See ist wahrscheinlich Deutschlands einziger Bikertreff, wo man nicht kostenlos parken darf und wo es auch kein Klo gibt. Das muss wohl so.

    Dann weiter Richtung Kiel und dort schließlich auf die Autobahn A210 und schließlich A7. Unterwegs kann ich meine neue Tankstellenkarte einweihen: Die läuft auch mich persönlich, rein privat, und gibt 2 ct Rabatt pro Liter bei Total und Elan. Ich stelle fest, dass ich damit nur Benzin bezahlen kann, keine Getränke. Dann fällt mir ein, dass ich besser erst aufs WC gehe und dann das Getränk kaufe, weil das hier so ein Sanifair-ähnliches System ist. Damit sind die 2ct/Liter Preisvorteil wieder futsch. Immerhin werde ich so mein letztes Euro-Bargeld los, denn das brauche ich die nächsten 5 Wochen nicht. Denke ich, aber ich hatte natürlich nicht ans Flaschenpfand gedacht. SEUFZ. Irgendwas ist ja immer.

    Schließlich erreiche in Dänemark. Die Grenze ist zu erkennen am Rückstau, weil an der Grenze „Kontrolle“ ist: Kleinbusse werden von dänischen Beamten in eine Halle gewunken. Ich fahre weiter. Kommen wir nun zum Kapitel „Motorradfahren“ in Dänemark. Ein weiser Mann hat einmal gesagt: Stell dein Motorrad auf den Hauptständer, setze dich drauf und warte 8 Stunden – so ist Dänemark. Ich möchte ergänzen: Dänemark ist das einzige mir bekannt Land, dass ein ähnlich schlechtes Baustellen-Management wie Deutschland hat. Locker die halbe Strecke von der südlichen Grenze zur nördlichen Küste sind „Baustelle“, wo eher wenig gearbeitet wird. Gut, dass ich es nicht eilig habe, Tempo 80 statt 130 würde Hektiker eine pulsierende Ader an der Schläfe bescheren. Ich fahre ohnehin maximal Tempo 110, dank Tempomat kriege ich das auch wirklich hin. Ebenfalls eher unschön, die Autobahnen sind weitgehend nicht eingezäunt, und so liegen alle 10 km Tierkadaver auf der Fahrbahn. Hässlich ist das Land nicht unbedingt, wie man auf Tripps zu Tankstellen abseits der Autobahn schon sieht.

    Nur eben monoton. Ich habe mit Pausen alle 90 Minuten noch etwa 90 Minuten Zeit übrig, und suche mir etwas zu essen. Vielleicht nicht direkt am Fährhafen, und vielleicht nicht allzu fancy. Dafür muss ich von der Autobahn runter. Der Italiener hat leider nicht geöffnet. Er sieht auch nicht so aus, als wäre er kürzlich geöffnet gewesen. Hm. Wieder auf der Autobahn wird es langsam frisch. Umziehen ist angesagt, Membran reicht nicht mehr bei 19 Grad und tief stehender Sonne, der Pulli muss dazu. Beim nächsten Stopp sehe ich dann, dass sogar in den Innenstädten am Weg die Grill Imbisse bald schließen. Schade – dann eben McDonalds. Da weiß man was man hat, und wenn man nur 2 Cheeseburger bestellt, geht das auch richtig schnell. Und wieder rauf auf die Autobahn! Kurz vor Hirtshals wird getankt, vielleicht ist es teurer in Norwegen, zumindest spare ich es mir dann morgen 1x mehr. Zwischenzeitlich konnte ich übrigens den Verbrauch abschätzen: 325 km aus 14 Liter macht 4,4 L/100 km in meiner bummeligen Fahrweise. Meine Maxime heißt „Reifen schonen und nicht erwischen lassen“.

    Dänemark zu durchfahren zieht sich wirklich, und ich bin erleichtert, als ich den Fjord Line Fährhafen erreiche. Kurz eingecheckt, ich hatte vorab gebucht und bezahlt, und dann heißt es warten und mit anderen Motorradfahrern ins Quatschen kommen. Es ist ganz schön windig. Gut, dass ich eine Mütze dabei habe. Ich bekomme Streckentipps für sehr hohe, befahrbare Aussichtspunkte: Blåhø und Aursjøvegen. Ich muss später schauen, ob die schon beim Passknacker dabei waren. Juvasshytta war aber auch nicht drin, und den habe ich selbst recherchiert. Die Fähre hat anscheinend Verspätung, also packe ich auch noch den Campingstuhl aus. Dabei geht die Sonne langsam unter under Wind bläst. Das ist schon sehr gediegen.

    Auch wenn mein Tag insgesamt schon lang ist, ohne Verspätung wäre die Ankunft 1:15 gewesen. In Kristiansand wartet ein Hotel auf mich, mit Checkin am Automaten, also beliebig spät. Da die letzte Nacht auch schon nicht SO erholsam war wird’s langsam etwas viel schlechter Schlaf.

    Irgendwann ist die Fähre dann da, ich packe mein Zeug ein, während sie Autos und Motorräder ausspuckt. Als ich dann einen Bus sehe, werde ich hektisch: Danach geht’s los! Und tatsächlich fährt die ganze Motorradschlange an mir vorbei, weil ich noch mit Koffern beschäftigt bin. In der Fähre wird zügig verzurrt.

    Dann einen Sitzplatz schnappen, dabei auf Beinfreiheit achten. Vorhin war's windig, und so schaukelt die Fähre auch nicht wenig. Ich tippen diesen Bericht und widme mich danach der Augenlidinnenseitenpflege.

    Als 2 Stunden später die ersten Handies im Saal wieder fiepen ist klar, dass wir in norwegischen Gewässern sind. Ich habe tatsächlich Schlaf bekommen das ist nett. Der Gang zum Klo offenbart, dass meine Brille voller Salz ist. Klar, ich stand ja stundenlang im steifen Wind an der Küste. Putzen, Packen, und schon geht’s runter zum Moto. Bei Fjord Line muss man selbst abspannen und auch wieder lösen. Gegen 2:45 geht’s runter von der Fähre und ich fahre direkt zu meinem Hotel, dass ich in Kristiansand gebucht habe.

    Ich will eigentlich nur ins Bett, aber da sind noch einige Hürden zu meistern. Die Linksabbiegerampel erkennt mich nicht. Das Hotel hat keinen Parkplatz. Der ausgewiesene Motorradstellplatz ist voll. Alles andere ist Parkverbot. Das Parkhaus schweigt sich dazu aus, ob Motorräder hier rein dürfen, und auch über seine Preise. Es gibt keine Schranken, aber einen Automaten, der bereits einem verwirrten Touristen-Paar belagert wird. Einer davon raucht – danke dafür. Man trägt sein Kennzeichen ein und bezahlt dann. Leider akzeptiert der Automat weder Handy noch Karte, und niemand hat Münzen. Aber es gibt eine spaßige easypark App, die man sich um 3 Uhr früh runterladen kann, einen Account anlegen, eine Zahlungsmethode hinterlegen, und dann darf man endlich das Parkhaus für sich buchen! Ich will doch nur ins Bett... In der App erfährt man nebenbei auch den Preis: Von 3 Uhr bis 10 Uhr früh ca. 21 Euro. Neee, echt nicht. Ich fahre weiter und suche was anderes. Ich bin am Rand der Innenstadt, und außerhalb der Innenstadt wird’s ja einfacher sein? Ein kleiner Parkplatz ist immerhin mit „max 2t, kostenpflichtig 8-20 Uhr“ beschildert, es stehen schon ein paar Camper da. Wieder die App raus: 3-10 Uhr kostet 4 Euro. Fußweg ist Okay. Na dann!

    Auf zum Fußweg! Das Hotel ist in Sichtweite, und statt des versprochenen Automaten-Checkin gibt es einen Schalter mit einem Mitarbeiter, und eine Schlange von Touristen, die offenbar das erste Mal in ihrem Leben in ein Hotel einchecken. Ich will doch nur ins Bett... Das Hotelzimmer ist okay, ich bin so verschwitzt vom Schleppen dass ich mir noch eine Dusche gönne. Leider fehlt ein Fön. Ich habe natürlich Probleme einzuschlafen, weil mein Körper im Abenteuer-Modus ist. Fazit: Mimimi! Lektion für heute: Diese späte Fähre nicht mehr so gerne. Die Nachtfähre Kiel-Oslo ist zwar teuer, aber sie spart den Tag Dänemark und die nächtliche Schnitzeljagd.


    750 km heute

  • ich wollte nur heute morgen kurz ins Forum schauen und jetzt bin ich hier haengen geblieben. Toller Trip den du da vor dir hasst, hab ich noch auf der bucket list. Viel Spass wuensche ich dir.

    Motorrad fahren Du musst!

  • Sehr schön geschrieben!

    Ich hoffe für dich, dass sich die Reise bald so verändert, dass der leicht negative Grundton durch etwas mehr Freude ersetzt werden kann.

    Don't eat the yellow snow where the huskies go (Zappa)

  • Schreibst du Reiseberichte professionell? Falls nicht solltest du das machen. Schön zu lesen, freue mich schon auf weitere Berichte. Ich wünsche dir noch eine gute und unfallfreie Reise.

    Grüße Ingo

  • Respekt, solche lange und ausführliche und informative Texte und Beschreibungen im Forum einzustellen!

    Wie machst du das denn, alles von Hand eingetippt, oder irgendwie über eine Art Spracheingabe mit manuellen Ergänzungen? Möchte ich auch können, aber eben nicht soviel tippen....

  • Schön zu lesen 👍 Weiterhin viel Spaß und Unfall- und pannenfrei Fahrt.

    Mich interessiert wie du das mit der fälligen Inspektion - die ja in die Reisedauer fällt - lösen wirst.

    Ich war letztes Jahr 3 Wochen (länger konnten die Kollegen nicht) zum Nordkapp. Gegen den Uhrzeigersinn 1 Woche hin (durch DNK, SWE und FIN), dann zurück durch NOR. An sich relativ entspannt, aber Zeit für Zwischenstopps und Sightseeing bleibt da nicht. Nur eine große Fähre von Puttgarden nach Rødby (hin und zurück). Hirtshals war uns zu chaotisch (undurchsichtiges Buchungsverfahren als Gruppe) und teuer. Kiel nach Oslo würde ich mir nächste Mal zumindest für eine Weg genauer anschauen.

    Du wirst es genießen, trotz der vielen km geradeaus (in 2023 war ich mit der Tracer dort und hatte noch keinen Tempomat😳) und der Mücken in der Nähe von Süßwasser (ein elektrischer Mückenstick [Anzeige] hilft wirklich). Im Norden und/oder bei Regen kann es frisch werden, aber du bist ja bestens ausgerüstet. 😊

    Tip zum Übernachten: auf den unzähligen Campingplätzen in ganz Skandinavien gibt es Hütten verschiedener Ausstattung (einfach mit Strom ca. 40 - 50 EUR; Luxus mit eigenem Bad und WC zwischen 90 und 130 EUR). Zu zweit lohnt sich da der Zeltaufbau meistens nicht. Buchung über Web, E-Mail usw. unproblematisch.

    Buchung teilweise auch am Tag vorher, könnte jetzt Inder Saison aber enger sein als bei uns. Wir waren Ende Juni und die erste Juli-Hälfte unterwegs.

    Bei den Fähren innerhalb NOR kann es bei beliebten Routen (z.B. von Senja auf die Lofoten) echt voll sein; bedeutet u.U. Wartezeiten, auch als Motorradfahrer.

    Eine Kreditkarte (ich hatte Visa) reicht für alles in Skandinavien✌️

    Ich werde da nochmal hinfahren denke ich, sofern ich noch kann und will. Irgendwann kommen eben im Alter andere Zeiten.

    Kleine Appetitanreger 😎image.jpgimage.jpgimage.jpg

  • Frank-Karl

    Heute ist es soweit :)

    Ingo11

    Nein, das ist mein Hobby. Ich habe bereits einen gut bezahlten Job, der mir auch leicht fällt.

    TuaAfriTen SW

    Ich habe einen Laptop dabei und tippe das abends eben runter. Fotos kommen direkt vom Handy, zu 99% ohne Bildbearbeitung. Abends ist viel einfacher und besser als nach der Reise.

    Willnoeff

    Danke für die Tipps, heute bin ich schon in einer Hütte – für 42 Euro.

    • Offizieller Beitrag

    :klatscher Tolles Vorhaben, auch wenn ich sowas nicht auf meiner Wunschliste habe. Meine Anerkennung für das hast DU von mir. :megagut

    .

    Glück kann man nicht kaufen - aber ein Motorrad und damit fahren - dann ist man ganz nah dran. :)
    - (über 120.000km (seit Sept. 2011) mit zwei Shiver 750) - seit 45 tkm mit >MEGAöler = GPS-Kettenöler

    Vogelsberg
    ...das größte zusammenhängende Vulkangebiet Mitteleuropas. (Wikipedia)

  • Mo 29.7. Kristiansand-Sinnes

    Die Nacht war nicht so erholsam, ich habe vielleicht 2h Schlaf bekommen. Statt wach rumzuliegen, kann ich auch aufstehen, also geht’s etwas früher als sonst los. Merke: Keine Stadthotels ohne Parkplatz mehr. Ich bin ja nicht mit hohen Erwartungen an diesen Urlaub ran gegangen, was Fahrspaß angeht. Mein bisher einziger Norwegen-Trip war eher spontan und daher schlecht geplant. Ich fuhr im Wesentlichen Kolonnen von Wohnmobilen mit Tempo 70 hinterher. Dieses Mal fahre ich sämtlich Passknacker-Punkte ab. Die haben freundliche Motorradfahrer zusammengetragen und in eine Datenbank gesteckt. Das sind neben den Highlights, die jeder kennt, auch Insidertipps und Strecken wo man Einheimische trifft, die sich wundern, was der Ausländer hier verloren hat. Und so geht’s dann heute auch direkt los. Nach zwei Stunden habe ich ein Bild im Kopf.

    Ein Raum, bis zur Decke hoch gestapelt mit Karotten. In der Mitte sitzt ein Hase und guckt verwirrt. Er denkt: Bin ich tot? SO ging's mir heute! Der ganze Ärger war es unbedingt wert, was ich heute unter die Räder genommen und an Landschaften aufsaugen konnte!

    Es geht aus Kristiansand also nicht etwa an der Küste entlang, sondern ins Hinterland, auf die Straße 461. Hier liegen drei Passknackerpunkte entlang einer Straße, die richtig Spaß macht. Das sehen auch einheimische Autofahrer so, lassen mich aber freundlicherweise vorbei. Ich will zwar ja Reifenprofil sparen, aber hey, ich bin meistens im 4. und 5. Gang unterwegs und beachte das Tempolimit! Und ich habe noch nie davon gehört, dass ein TKC 70 zuerst am Rand abgefahren ist. Man stelle sich eine Mischung aus Sauerland und Schwarzwald vor, nur ohne LKW, Motorräder, und mit einem Auto alle 5 Minuten. So etwa kommt das landschaftlich und fahrerisch hin.

    Ich habe sehr gute Laune :) Ich mag auch die Kirchengebäude in Norwegen.

    Wobei die älteren noch wesentlich eindrucksvoller sind. Schalten Sie wieder ein, dann werden Sie es erfahren ;) Dann geht’s auf die E39, die Hauptstrecke der Küste entlang. Hier kommt dann der Tempomat zum Einsatz. Eine Brücke führt über den ersten Fjord. Das sieht schon echt gut aus! Es ist zwar deutlich Verkehr, aber niemand bummelt extrem, ich kann also das Tempolimit ausreizen. Durch Flekkefjord geht’s auf die Straße 44. Hier sollte man mal entlang gefahren sein! Tolle Landschaft aus Magma-Schloten, von Gletschern poliert, mit lecker Kurven reingebaut.

    So geht’s bis zum Jossingford, und dann nach Norden.

    Straße 4242 ist schmal und komplett einsam. Am Passknackerpunkt Mydlandsveien lege ich mich am Straßenrand 20 Minuten ins Gras, denn ich kämpfe mit Müdigkeit – und es kommt nichts und niemand vorbei. Perfekt. Man kann beim Passknacker übrigens Nachweise einreichen, dann muss das Motorrad drauf sein mit Nummernschild, das Motiv (hier der Wegweiser) und das „Kontrollschild“, das der Verein jährlich wechselt, hier auf dem Topcase klebend.

    Tronasen ist ein netter Abstecher auf eine sehr steile und schmale Straße mit engen Kehren. Hier darf man eigentlich nicht umdrehen, aber wenn's keiner merkt, ist es nicht verboten, und dann kann man die Aussicht besser fotografieren... außerdem müsste ich eh wieder in die Richtung...

    Dann kommt wieder ein gutes Stück E39, mit Pause für ein Eis (sogar Diplomeis!) und frischen Sprit, dann schlägt Google die Nebenstrecke 503 vor. Da steht ein Schild, das mich irritiert.

    Sinngemäß: Kann manchmal kurzfristig gesperrt sein. Ich fahre trotzdem hin. Und das hat sich wirklich gelohnt! Auch wieder nahezu völlige Einsamkeit, Hochebene, Seen rechts und links, und dann schließlich der Stein des Anstoßes: Eine Tunnel-Baustelle. An beiden Enden regeln nette Damen den Verkehr, und man muss sogar, wenn man fahren darf, einem Baustellenfahrzeug hinterher fahren. Gelbes Blinklicht + Tunnel + verspiegeltes Visier + Müdigkeit = Sicherheitsabstand. Fun Fact: Im Tunnel waren keine Arbeiten zu sehen, aber hey. Dahinter liegen noch mehr Steine rum.

    Nun möchte noch der Giljastolveien besucht werden. Das ist ein historische Passstraße, die durch einen Tunnelneubau zuerst an Bedeutung verloren hat, dann aufgegeben und schließlich gesperrt wurde. Davon gibt’s in Norwegen sehr viele, nämlich ungefähr für jeden Tunnel eine Strecke in unterschiedlichem Verfallszustand. Manchmal sind es Radwege. Hier ist für mich Sackgasse, ich fahre wieder runter. Außerdem muss ich eh in eine andere Richtung, nämlich jetzt ostwärts, landeinwärts. Bis zum Gravassryggen zieht es sich, aber die Landschaft unterhält mich. Und der Tempomat ist wirklich eine Wohltat, ich kann fast den ganzen Tag den Lenker locker halten, statt ständig mit rechts die millimetergenaue Todeskralle zu machen, nur um ja kein km/h zu viel oder zu wenig drauf zu haben. Regelungstechnische Aufgaben darf gerne die Automatik für mich übernehmen. Ich will weder meinen Geist damit belasten, noch die Elektronik bevormunden, die das eh besser als ich kann. Seid nett zur KI, vielleicht wird sie uns mal beherrschen...

    So langsam ist meine Müdigkeit doch sehr stark, also wähle ich den nächstbesten Campingplatz, aus der App NorCamp. Auf den letzten Metern überlege ich, welchen Aufpreis ich für Hütte statt Zelt zu zahlen bereit wäre... Als man mir eine Hütte für 500 Kronen, also 42 Euro anbietet, kann ich nicht nein sagen, da brauche ich nicht zu rechnen. 50 Euro pro Nase ist meine/unsere Schmerzgrenze. Ist zwar ohne Bad, aber ich habe da was vorbereitet...

    Zu Essen gibt’s Fischkonserven und Brot aus dem letzten Supermarkt. Angesichts der reichhaltigen Auswahl an leckeren, fertig belegten Sandwiches, bereue ich es fast, 8 Stück Fischkonserven mitgebracht zu haben. So endet ein toller Fahrtag! Wenn ich morgen dann auch noch ausgeschlafen bin, muss es ja mindestens so gut werden!


    354 km heute. Hat sich nach mehr angefühlt.

  • 354 km ist für NOR schon eine Menge. Das wirst du nicht jeden Tag schaffen (wollen) denke ich.
    Seit ihr jetzt eigentlich zu zweit unterwegs? Oder bist du noch allein unterwegs?

  • Di 30.7. Der Lysebotn-Vorfall

    „Polizeinotruf, was ist passiert?“ - „Ja Hallo, hier ist Frau Kuchen vom Campingplatz Kurzhintermsee, einer unserer Gäste randaliert!“ - „Was macht er denn?“ - „Er befestigt an allen Türen im Gemeinschaftsbereich und in den Hütten Kleiderhaken! Und Fliegengitter an allen Fenstern!“ - „Hä?“ - „Das geht doch nicht! Und wenn wir aufhalten wollen, schubst er uns einfach weg und grinst dabei!“ - „Okay, das geht zu weit. Wir schicken jemanden. Können Sie den Täter beschreiben?“ - „Er ist etwa 1,90 groß, hat lange Haare und ein schwarzes T-Shirt an.“ - „Mhm, interessant, können Sie das T-Shirt genauer beschreiben?“ - „Da ist ein komischer weißer Fleck vorne drauf und ein komisches Gesicht, drunter ist irgendeine Schrift glaube ich“ - „Ah, verstehe... Oh mein Gott!“ - „Was ist denn?“ - „Das ist ein Darkthrone-Fan! Da können wir nichts machen. Stellen Sie ihm 5 Kisten Bier hin zur Beruhigung, oder lassen sie 'Transilivanian Hunger' laut laufen, dann ist er schneller fertig.“ - „Hä?“ - „Darkthrone-Fans ist alles egal. Der würde uns nur auslachen. Darkthrone hat einfach stumpf die beste Musik der Welt geschaffen, als die anderen norwegischen Bands dieser Nische sich gegenseitig umgebracht und/oder Kirchen angezündet haben. Die machen seit 40 Jahren nur worauf die Bock haben. Die stehen über solchen Sachen. Auch über ihren Fans. Keine Konzerte, alle paar Jahre neuer Stil. Und jetzt renoviert einer der Fans ihren Campingplatz? Seien Sie doch froh!“ - „Darkzwowas?“ - „Ach, Sie kennen Darkthrone nicht? Unseren größten kulturellen Export seit dem Norwegerpulli? Dann rufen Sie uns wieder an, wenn der Tourist weg ist, dann kommen wir vorbei und nehmen Sie fest, wegen Kulturbanausigkeit! Wiederhören!“

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    Die Nacht in der Hütte war sehr erholsam. Ich bin so früh eingeschlafen, dass ich schon um halb 3 eigentlich ausgeschlafen war, aber ich konnte erholsam weiterdösen. Vielleicht hab ich auch was geträumt. Sehr schön! Nach dem Frühstück wird eingepackt, und ich verteile meine irgendwie-viel-zu-vielen Sachen anders in den drei Koffern, so dass weniger schwere Sachen im Topcase sind. Vielleicht hilft's dem Handling, das schon etwas hecklastig war. Die Reifen an den Sturzbügeln hat man übrigens überhaupt nicht bemerkt, außer dass sie den Beinen Windschutz geben. Zusammen mit der Motorabwärme wird’s da schon recht mollig warm.

    Mein erster Passknacker heute ist der Knutsjorn. Das ist ein ordentlichen 1050 Meter-Gebirgspass landeinwärts. Ich laufe auf eine norwegische Aprilia Tuareg auf – schönes Motorrad, auch von hinten! Sehr schön auch die Gegend.

    Es gibt sogar eine klare Markierung der Passhöhe, die natürlich Nachweismotiv bei Passknacker ist.

    Danach drehe ich um und fahre den ganzen schönen Weg wieder zurück, weil ich an der Kreuzung jetzt nach Westen muss. Zweiter Punkt heute wird der Lysevegen. Das ist der Weg nach Lysebotn, dem Ort am Lysefjord. Es ist eine Strecke im Hochland, mit vielen Felsen und genug Straßenbreite, dass ich zügig vorwärts komme. Wetter und Landschaft sind weiterhin sehr erfreulich.

    PKW und Wohnmobile lassen sich freiwillig überholen. Runter ins Tal lockt eine Serpentinenstraße mit 27 Haarnadelkurven und einem Kehrtunnel. Das sieht auf der Karte so aus:

    Das macht durchaus Spaß. Leider finde ich keinen guten Punkt für ein Foto der Straße. In Lysebotn soll mich die Fähre weiter bringen. Der nächste Passknackerpunkt liegt zwar nördlich von hier, da ist aber nur Hochgebirge dazwischen. An der Fähranlagestelle sieht es sehr leer aus. Ist die Fähre gerade weg? Die meisten Fähren entlang der Hauptverkehrsachsen fahren alle 20-40 Minuten. Hier gibt’s einen Plan auf einem großen Bildschirm. Als ich ihn studieren will, wechselt die Anzeige zu einem Werbefilm mit 100 Gründen, warum man Lysebotn besuchen sollte. Ist ja gut, ich bin doch schon da! Dann halt online gucken: Oops. Die Autofähre fährt nur 2x am Tag. Und das nur alle 2 Tage. Und heute nicht. Scheii... Was sagt das Navi zu einem Weg ohne diese Fähre? 4,5 Stunden!?! Mit der Fähre sind es auch 3 Stunden. Vielleicht kann ich irgendwie umplanen und auf dem Fährenvermeidungsweg Punkte einsammeln, die ich eigentlich erst danach fahren wollte? Oder gibt’s nicht doch eine Fähre? Warum tut eigentlich jedes Navi und jeder Routenplaner so, als wären Fährverbindungen Straßen?

    Ich spreche zwei Einheimische an, die gerade am quatschen sind, nachdem sie einen LKW entladen haben. Einer davon ist Mitarbeiter der Fährgesellschaft und weiß Bescheid: Heute gibt’s keine Autofähre. Die Passagierfähre geht wirklich nicht für Motorräder. Die Autofähre morgen früh ist schon ausgebucht, aber vielleicht wäre noch Platz für ein Motorrad. Ich kann aber die Nachmittagsfähre buchen.

    Damit habe ich diese Optionen:
    a) Hier übernachten und morgen eine Fähre nehmen. Ich habe aber gerade Bock auf Motorradfahren, und sonderlich viele spaßige Dinge sind hier nicht in der Nähe (Passknackerpunkte, Rennstrecke, Aprilia-Händler, Thai-Restaurant, Black Metal-Plattenladen, Juwelier ohne Alarmanlage, KTM-Schrottplatz, ...)
    b) Ich fahre außenrum, quasi der geplanten Route entgegen, und nehme mit was geht.
    c) Ich klaue den Anglern ihre Ausrüstung und suche mir eine einsame Höhle, wo ich fortan als Einsiedler leben werde.
    d) Ich lege mich auf den Bauch und hämmere mit den Fäusten auf den Boden.
    e) Ich schaufele so lange Erde in den Fjord, bis ich durchfahren kann.

    Nach reichlicher Überlegung entscheide ich mich für Option b). Motorradfahren macht schließlich Spaß, auch wenn ein paar Wolken am Himmel hängen und ich dem Zeitverlust irgendwie hinterher hänge. Ich habe für diese Reise erstmals keine Tagesetappen geplant, daher weiß ich auch nicht wirklich, ob ich im Zeitplan bin oder nicht. Aber ich habe insgesamt viel Zeit. Die Passknacker Landespreise bekommt man, wenn man alle Passknackerpunkte eines Landes in einem Jahr anfährt. Nicht, wenn man nach 90% aufhört. Optional ist hier gar nichts, außer vielleicht Sightseeing. Aber Zeit für ein Foto habe ich noch.

    So, und wieder los, die Strecke jetzt kenne ich ja schon. Fun Fact: Morgen wäre die Strecke wegen einer Sportveranstaltung gesperrt. Weiterhin schöne Landschaft, Fahrspaß, alles durchaus sehr nett. Dann zum dritten Mal heute den Knutsjorn, sicher nicht langsamer als bei den letzten Befahrungen. Die Ostseite ist auch nicht schlecht. Danach geht es eine ganze Weile ein Tal entlang, ich kann gepflegt chillen mit Tempomat auf Tempolimit. Ich beobachte die Wolken... und das Regenradar. Es nieselt gaaanz leicht. Da lohnt sich keine Regenjacke, aber wenn ich nicht die Membran drunter ziehe, werde ich mit etwas Pech in 4 Stunden feststellen, dass meine obersten Schichten jetzt alle durchnässt sind.

    Allerdings habe ich im Niesel weniger Lust auf Fotostopps, darum gibt’s vom Tal und von den Punkten Borsavegen und Bjaern keine Fotos. Danach biege ich auf die E134 ab. Das ist eine Hauptstrecke, die sehr flüssig zu fahren ist. Deswegen ist die Landschaft aber nicht weniger hübsch.

    Ich glaube langsam, man sieht mehr Landschaft, wenn man mit Tempomat fährt und nicht dauernd auf den Tacho gucken muss. Nächster Wegpunkt ist der Dyrskarpass, der durch einen neuen Tunnel keine Bedeutung für den Fernverkehr mehr hat. Dafür habe ich ihn für mich alleine.

    Hier lasse ich mich dann schon gerne von Griffheizung und Sitzheizung unterstützen. So, damit könnte man für heute doch eigentlich schon zufrieden sein, es ist 16 Uhr, ich bin seit 9:40 unterwegs. Ich gebe den nächsten Campingplatz ins Navi ein, da kommt ein ganzer Haufen Campingplätze auf einem Fleck mit Supermarkt in der Mitte. Dort angekommen bin ich noch nicht so richtig platt. Ich kann ja mal einkaufen. Ich gönne mir einen „Taco-Schinken-Salat“. Dann gucke ich ob's nicht noch einen Campingplatz in meine Richtung gibt? Ja, in ca. 45 Minuten. Anruf da: Ja, Hütte ist frei, 42 Euro! Okay, bis gleich! 30 Minuten später bin ich da. Hmm. Ich könnte auch gern noch weiter fahren. Der Punkt Hedlebrekk liegt voraus, und dort würde ich wenden. Eigentlich wäre ich ja per Fähre von Süden gekommen. Geht der nicht auch noch? Ach, der geht schon noch, das Wetter wird eh gerade besser, vor lauter Tunnels wird man nicht nass und hier ist fast null Verkehr! Gedacht, getan, Punkt eingetütet und dann am Campingplatz eingecheckt. Nachbars Hund reagiert irritiert auf Menschen mit Helm, klar, sieht ja auch nicht ganz wie in Mensch aus, davor hat er Angst, aber ich nicht vor ihm. Ohne Helm lässt er sich sofort kraulen. Happy End für beide! Ich habe heute wieder eine Hütte.

    Auf diesem Campingplatz ist eine Hütte übrigens günstiger als zwei Zelte. Ob ich mir mit meinem nachreisenden Mitreisenden ein Schlafzimmer teilen will, weiß ich nicht so recht – aber wir haben eigentlich auch genug Geld für zwei Hütten. Bisher war 50 pro Nacht und Nase unsere Schmerzgrenze.


    437 km heute, sehr angenehm.

    Bei der Nachbereitung stelle ich fest, dass ich unterwegs optimal umgeplant habe. Der Gesamtzeitverlust dürfte im Bereich einer Stunde liegen – plus etwa 1h für den Weg vom Lysevegen nach Lysebotn und zurück, aber der war ja schön. Da selbst eine gewöhnliche Fähre auch eine Wartezeit bedeutet hätte, habe ich eigentlich keine Zeit verloren. Außerdem habe ich Urlaub und hatte Spaß, was will man mehr?

  • Ja, Lysebotn ist ein Sackgasse und die Fähren dort ist ein Engpaß. Rund um die Lofoten wird dir Ähnliches passieren.

    Falls du morgen Richtung Norden fahren willst schau dir die 520 über Saura an. Und dann vor dem Roldalstunnelen rechts ab oben über den Berg. Das sind sehr schöne Strecken mit letztes Jahr Anfang Juli überschaubarem Verkehr.

    Falls es interessiert: ich habe für die grobe Planung - auch bzgl. Campingplätzen - immer GoogleMaps genutzt. Auch für Zwischenziele: die Tankstellen dort haben alle Kaffee, warmes Essen falls gewünscht und eine Toillette. Notfalls ich mal 20 Minuten trocken …. ✌️

    Auch gute Infos über die Fähren findest du dort; zumindest ausreichend für die Grobplanung.

    Weiterhin gute Fahrt und trockenes Wetter wünsche ich dir.
    Bin neidisch 😌

  • Guten Morgen, danke für deinen Bericht und die schönen Bilder. Irgendwann komme ich auch mal nach Norwegen, aber wohl eher mit dem Wohnmobil. Du schreibst sehr schön und planst sehr akribisch. Beides kann ich nicht. Ich/wir fahren meistens drauf los und unser einziger Zeitplan ist durch die Reisezeit und natürlich Fährtermine gesteuert. Aus diesem Grund wundert es mich, dass du einen Verlust von einer Stunde zu deiner Planung erwähnst. Alleine so ein Gedanke wäre für mich im Urlaub schon Stress den ich nicht möchte.

    Viele Grüße aus OWL

    Andreas

  • Mi 31.07. Rauland

    Nach eine erholsamen, aber erstaunlich kalten Nacht geht’s frohen Mutes und frisch gestärkt nach Norden. Leider komme ich nicht weit, bis ich eine Autoschlange vor mir habe. Ich überhole vorsichtig. Einige Leute sind bereits ausgestiegen. So sieht's vorne aus:

    Der vorderste Autofahrer, ein Norweger, spricht mich freundlich an. Da kommt ein überlanger Schwertransporter, darum müssen wir warten. Ah, okay. Ich kenne die Strecke ja von gestern, in den Tunnels will ich keinem Schwertransporter begegnen. Eine Umfahrung ist nicht sinnvoll möglich, also heißt es einfach warten. Die Sonne scheint und mir wird zunehmend warm. Schließlich kommt er.

    Je eine Zugmaschine vorne und hinten bewegen 2 Transformatoren, und eine dritte Zugmaschine fährt auch noch mit. Die Polizei macht den Weg frei – übrigens das erste Polizeiauto, dass ich in Norwegen bei dieser Reise sehe – und schon geht’s los. Ich habe P1 und dank Tempomat auf Tempolimit bleibt das auch so: Völlig freie Fahrt, so mag ich das. Der erste Passknacker heute ist Roldalsfjellet. Die Hauptstrecke führt heute untenrum durch einen Tunnel, obenrum ist es eine Touristenstrecke – die sogar recht beliebt ist. Sehr schön ist es hier!

    Ganz in der Nähe liegt Roldalsvegen. Der ist auch heute noch als Fernverbindung relevant, und so ist auf dieser eher schmalen Strecke mit Ausweichstellen überraschend viel Verkehr. Aber auch hier ist es sehr schön.

    Dann geht’s wieder in den Osten. Den Dyrskarpass spare ich mir heute und nehme den Tunnel. Nach einem harmlosen Abstecher zum Gravdalen geht’s nach Süden. Das Navi führt mich auf die 3408, nicht auf die E134, und darüber bin ich sehr froh. Ich habe die Uferstraße des Byrtevatn praktisch für mich alleine und komme gut voran. Es folgt ein weiterer harmloser Abstecher zum Punkt Seltveit, und dann geht’s per Eidsborgvegen wieder nach Norden. Hier wird’s zunehmend touristisch. Ich sehe sogar eine richtig alte Harley mit schönen bzw. kuriosen Details

    Richtung Norden über den Punkt Vierli ist mehr Betrieb. Kolonnen mit schwankendem Tempo zehren an meinen Nerven, und eine gewisse Mattheit macht sich breit. In Rjukan folgt eine lange Ortsdurchfahrt, aber immerhin mit internationalen Restaurants. Das hier scheint wirklich eine Touristengegend zu sein. Zum Punkt Flistjönnskaret wird’s nochmal richtig hoch, 1260 Meter, Baumgrenze und auch hier viele Touristen.

    Der Tag ist lange genug, ich telefoniere eine Hütte herbei. Vorher gibt’s noch Einkauf und Tankstelle. Warum hatten eigentlich nur die Supermärkte der letzten Tage leckere Sandwiches? Naja, Nudelsalat ist auch eine gute Ergänzung zur Fischkonserve. Die Hütte kostet heute 650 statt 500 oder 450 Kronen, und Duschen kostet sogar extra. Dafür trocknen meine Haare in der Abendsonne bei 24 Grad, wo es morgens noch bei 12 Grad losging.


    365 km heute

    Bei der Nachbereitung fällt auf, dass ich zwar über den Punkt Vierli drüber gefahren bin, woran ich mich auch erinnern kann, aber ich habe leider nicht für ein Foto angehalten. Da muss ich dann wohl morgen nochmal hin. Es sind zum Glück nur 45 Minuten. Den Punkt in den Rückweg einzubauen wäre mehr Umweg. Das ist ärgerlich, kommt aber schon mal vor. Vielleicht hätte ich mittags irgendwo einkehren, mich entspannen und die Nachweise hochladen und prüfen sollen. 2x 45 Minuten in schöner Landschaft ampelfreie Bergstraßen fahren ist zwar kein schlimmes Schicksal, aber irgendwie ist jeden Tag irgendwas... heute Schwertransporter, gestern Fähre, morgen Vierli nachholen... Zwischenzeitlich habe ich so viel Freude am Motorradfahren auf Kurvenstrecken entdeckt, dass ich innerlich stillschweigend das Ziel abgehakt habe, mit einem Reifensatz durchzukommen. Die Aprilia macht aber auch Spaß :)

  • Do 01.08. Valdres

    Heute war ich früh fit und inzwischen bin ich auch organisiert genug, dass ich mein eigenes Packkonzept durchschaue und entsprechend zügig loskomme. Es geht zum Punkt Vierli zurück, Foto machen, und dann wieder am Campingplatz vorbei. Da muss man eben manchmal durch, wenn man Passknacker Landespreise haben will. Die Sonne lacht, die Straßen sind frei, ich kann Motorradfahren, alles ist gut. 45 Minuten später ist das Foto im Kasten.

    Jetzt habe ich weitere 45 Minuten Zeit zum überlegen, ob ich nicht doch etwas in meiner Hütte vergessen haben könnte? Aber mir fällt nichts ein, und so geht’s die Route weiter. Die Strecken zwischen den Punkten ziehen sich heute. In anderen Ländern muss man alle 10 Minuten für ein Foto anhalten, hier sind die Kilometer zwischen zwei Punkten auch mal dreistellig. Die Landschaft ist nicht schlecht, aber sie wiederholt sich so langsam – ich bleibe nicht mehr oft für Landschaftsfotos stehen.

    So sind die Fotos dann eben Passknackerfoto, hier ein Hotel auf der Passhöhe Vasstula, 1100 Meter hoch. Wintersport ist hier wohl ein großes Thema. Es ist auch nicht weit nach Oslo.

    Gegen die Mittagsschlappheit hilft eine 30 Minuten Pause an einem Supermarkt mit lecker Gebäck, Cola und in der Sonne sitzen.

    Leider sind heute auch viele Hauptstrecken dabei und entsprechend Touristenverkehr. Wo wenig Verkehr ist, überholen mich teilweise die Einheimischen, weil ihnen Tempolimit laut GPS offenbar nicht schnell genug ist. Plötzlich habe ich vor mir einen Rückstau aus 10 Autos, und siehe:

    Der Camper war wohl müde, hat sich schlafen gelegt. Augenscheinlich wurde niemand verletzt, denn es ist nur Polizei und Feuerwehr da, keine Rettung. Jetzt stehe ich hier! Hinter mir biegen einige Autos in einen Schotterweg ein, und laut OSMand gibt’s da auch eine parallele Strecke. Ich fahre hoch, und das entscheidende Stück ist leider als Privatweg ausgeschildert, und einspurig noch dazu. Hmmm. Normalerweise würde ich da nicht durchfahren, aber hier schieben sich die Autos bereits Stoßstange an Stoßstange durch, inkl. vollintegrale Camper, wo man nur hoffen kann, dass in Gegenrichtung niemand auf die gleiche Idee kommt, denn ausweichen oder wenden könnten die hier nicht. Also hinterher, und siehe, 5 Minuten später biegen wir alle wieder auf die Hauptstrecke ein, hinter der Unfallstelle und etwas eingestaubt. Die Unfallstelle ist von hier nicht zu sehen, so dass wohl keiner aus der Gegenrichtung auf die Idee kommt, die „Umleitung“ zu fahren.

    Bei einem Tankstopp fällt mir wieder mal auf, wie beknackt und bescheuert der Tankdeckel der Tuareg konstruiert ist. Man kleckert sich eigentlich immer voll, aber heute spritzt gefühlt ein halber Liter über die linke Seite des Tanks und läuft da munter runter, dabei ist der Tank dabei noch nicht mal voll. Die obersten 2 Liter kriegt man eh nicht rein. Ich bin doch auch bei anderen Motorrädern nicht zu blöd zum Tanken? Oder liegt es an den norwegischen Zapfpistolen?

    Naja, weiter geht’s. Es folgen die Punkte Tonshogde und schließlich „Lenningshogda – Slaverivegen“. Tonshogde ist eine gut ausgebaute und flüssige Strecke. Jenseits der Passhöhe parken zwei PKW am Straßenrand, einer hat die Heckklappe offen. Da gehe ich doch glatt mal 2 km/h runter mit dem Tempomat, und siehe da: Das rechte Auto ist ein Polizeiauto, das linke ein Volvo, der mich vorhin überholt hat. Tsts, immer diese Raser!

    Richtung „Lenningshogda – Slaverivegen“ wehrt sich OSMand gegen eine sinnvolle Routenplanung. An irgendeiner Kreuzung biegt er nach Oslo ab, und malt von Oslo eine gerade Linie in die Landschaft. Evtl. ein Kartenfehler? Aber man hat ja noch Google Maps, und so erreiche ich nach 6 km breiter Schotterpiste eine Naturstraße, mit Mauthäuschen.

    Als ich mich gerade einlesen will bemerke ich, dass dem Passknacker der Abzweig hierhin reicht, also kann ich wieder 200 Meter zurück. Danach muss ich die 6 km Schotter wieder zurück. Schotter ist ungewöhnlich für Landespreise, eigentlich sind die Schotter- und Geländepunkte außerhalb der Wertung. Hier ist nicht mal wenig Verkehr, und auch nicht langsam. Die Autofahrer ziehen mit 50 km/h an Fußgängern vorbei und stauben sie gründlich ein. Ich halte Abstand. Ich bin eh nicht der ganz große Schotterfreund, aber mit der Tuareg und den TKC70 bin ich dafür zumindest richtig ausgerüstet. Dann geht’s zurück ins Haupttal mit etwas Aussicht...

    ... und dann wird’s Zeit für Abendplanung. Ich wollte gern bunkabiker.com ausprobieren. Das ist Couchsurfing, nur für Motorradfahrer. Ich habe vorab einen Gastgeber auf per Mail angeschrieben, der eine nahe gelegene Hütte hat. Jetzt gerade erhalte ich eine SMS, ich kann gerne kommen, es sei aber nicht so luxuriös. Da es eh quasi am Weg liegt, nehme ich das gerne mit, und halte unterwegs noch beim Thai Takeaway, das mir vorhin schon aufgefallen ist. Da ich weder Thai noch Norwegisch spreche ist die Bestellung zwar nicht einfach, aber das tut der Qualität ja hoffentlich keinen Abbruch. Dass sie zwei verschiedene Karten haben irritiert schon eher. So gibt’s Tom Kha Gai statt Tom Yum Gai, also eine Suppe statt ein Curry, aber mit Reis dazu. Ich bin gespannt! Mein Gastgeber hat ein Anwesen direkt neben der Hauptstrecke mit drei Gebäuden. In der Scheune ist eine Galerie, im Haupthaus wohnt er selbst, und das kleine alte Haus ist für Gäste, also heute für mich.

    Da sagt man: Dankeschön! Es ist keine Gegenleistung nötig. Im Haus gibt’s Strom, in der Scheune ein Plumpsklo, im Garten eine Dusche und einen Gartenschlauch. Das entspricht quasi der Standard Hütte vom Campingplatz, vielleicht abzüglich gemeinsamem WC und Badezimmer. Das Thai Gericht ist sehr lecker! Tom Kha Gai mit Tomatenstücken statt Tomatenmark macht echt was her, so mag ich das, so kenne ich das ursprünglich auch.


    405 km heute und gefühlt im Plan

  • Fr 02.08. Innlandet

    Die Nacht war mal wieder eher frisch, aber mit Daunenschlafsack und Fleecedecke geht’s. Frühstück gibt’s aus dem Beutel, und zum Abschied bekomme ich vom Gastgeber noch selbstgebackene Teilchen. Wow, vielen Dank! Nächstes Mal sollte ich wirklich ein Gastgeschenk mitbringen.

    Es geht nach Norden. Irgendwie ist die Sicht heute trüb. Wetter? Helmvisier? Nein, es liegt an der Brille, die fehlt nämlich. Bei -0,5 merke ich das kaum, aber wäre doch schade drum, also nochmal zurück. Es geht heute weiters in „Innlandet“, also weg von Oslo, nördlich, Richtung Schweden. Erster Punkt heute wird Eggeasen. Unspektakulär, außer dass OSMand keinen Weg hierher findet. Ich folge die letzten 2 km einem gar nicht mal so langsamen Auto, und der will mich aber genau auf der Passhöhe überholen lassen. Er hält rechts, ich halte links fürs Foto. Dabei bin ich in seinem toten Winkel. Große Verwirrung seinerseits :)

    Weiter geht’s zum „Toppen av Slettefjell“. Auch hier mal OSMand wieder einen Pfeil in Luftlinie zum Punkt, aber dann navigiere ich eben manuell auf der Karte. Es erscheint eine Mauttafel und ein Briefkasten, zum Einwerfen.

    Ja, manche Passknackerpunkte sind mautpflichtig. Ich fühle brav ein Formular aus, behalte den Durchschlag. Da ich keine 50 Kronen habe, werfe ich 5 Euro ein. Vor dem Losfahre gucke ich genauer auf die Karte und stelle fest, dass ich hier gar nicht entlang muss. Naja, ich kann auch gönnen. Also weiter die Hauptstraße, die ebenfalls unbefestigt ist, und denn nächsten Abzweig rein. Kein Wegweiser. Hmm. Traktorweg?

    Sieht auf der Karte aber richtig aus. Ich komme an einem Traktor mit Traktorfahrer vorbei, der mich ignoriert. Also weiter. Sieht schon ganz schön schräg aus hier. Und dann schließlich:

    Naja, nee, das war dann wohl wirklich ein privater Privatweg. Ich könnte jetzt versuchen mich ohne Gepäck durch die Fußgängerschleuse zu quetschen, aber dann stehe ich mitten im Bauernhof und kann schlecht erklären, dass ich das hier für den richtigen Weg gehalten habe. Also wieder runter. Der Traktorfahrer ignoriert mich weiterhin. Lächelt er etwa ganz leicht? Naja. An der Hauptstraße kommt schließlich noch ein Abzweig mit Wegweiser, Kiosk und noch einer Mauttafel.

    Hier ist elektronische Maut angesagt. Man muss sich binnen 48h irgendwo anmelden, dann wird automatisch abgebucht. Wenn man das nicht tut, läuft Inkasso an. Uff. Anmeldung am Handy klappt, Bestätigung per Mail kommt nicht, dann fahre wir da mal hoch und kümmern uns abends. Es geht ganz schön hoch hier, mit richtig weiter Aussicht, an der Passhöhe auch nahezu 360 Grad. Man kriegt's leider nicht wirklich auf ein Foto. So, jetzt ist es 12 Uhr mittags und ich habe heute bisher 2 Passknackerpunkte geschafft. Das ist nicht sehr effizient! Ja, ich habe Urlaub, ich habe was erlebt, es ist nicht richtig schief gegangen, also was soll's, einfach weiterfahren, nach einer Pause. Auf der nördlichen Abfahrt gibt’s schöne Aussicht.

    Auch Posing ist erlaubt.

    Der Punkt Valdresflye wird eingetütet, hier ist plötzlich wieder Touristenverkehr, dann umdrehen und hier rein abbiegen.

    Der Jotunheimvegen kostet auch wieder Maut, ist Schotter, hat Tempolimit 50 und ist 40 km lang.

    Das ist sicherlich ein Highlight, aber auch ein sehr zeitraubendes, und nach 4 km wiederholt es sich doch irgendwie. Dabei reicht eine Stelle tieferer oder gröberer Schotter und man findet sich in der waagrechten wieder, also kann man auch nicht wirklich abschalten. Immerhin ist wenig Verkehr.

    Danach ist dann Tankstelle angesagt und Supermarkt. Abstecher zum Dalseter eintüten und dann geht’s wieder auf eine Hauptstraße, die E9. Zum Glück nur kurz, dann Abstecher zum Rondevegen, dann über eine tolle Hochebene zum Friisvegen.

    Auf der anderen Seite wartet die E3, wo es zum nächsten Punkt wieder 100 km sind. Ich bin schon müde genug und telefoniere 2 Campingplätze ab, aber die Hütten sind alle belegt. Booking findet ein Hotel für 60 Euro, leicht in den Bergen, weg von der Hauptstraße. An der Hauptstraße gibt je eine Tankstelle und einen Thai Takeaway. Hallo! Ich bin der Johannes! Gebucht, hingefahren, Essen bestellt, „voll“ getankt, Essen geholt, auf zum Hotel: 2,4 km Schotter. Ach, das schockt jetzt auch nicht mehr.

    Ich habe heute ein Hotelzimmer mit eigenem Bad im Zimmer! Und für 7 Euro habe ich sogar Frühstück dazu gebucht! Es ist kein Massenbetrieb hier und keine schreienden Kinder. Sehr angenehm, das alles. Man gönnt sich ja sonst nichts. Es gab heute auch wieder Fahrspaß! Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich bei schneller Kurvenfahrt mit irgendwas aufsetze. Kandidaten sind Fußraste, Sturzbügel und Hauptständer. Fußrasten sind wohl's nicht. Ich werde es vorsichtig weitertreiben, dann werden sich ja wohl Spuren zeigen...


    390 km heute 30,5% Norwegen

    Nach der Passknackernachbereitung kann ich mich dann noch mit den zwei Mautstrecken auseinandersetzen.

  • Sa 03.08. Sognefjellet

    Der Index der menschlichen Entwicklung (HDI) der Vereinten Nationen stuft Norwegen seit vielen Jahren als das weltweit am höchsten entwickelte Land neben der Schweiz ein. Darüber hinaus ist es laut dem Demokratieindex der britischen Zeitschrift The Economist der demokratischste Staat der Welt. Norwegen ist ein sehr wohlhabendes Land; sein Bruttoinlandsprodukt pro Kopf war 2016 das dritthöchste der Welt. Das Land verfügt zudem über eines der großzügigsten Sozialsysteme der Welt.

    Die Nacht war auch im Hotel überraschend frisch, noch dazu baumelt mir der hauchdünne Vorhang am Kopf rum, so dass er selbst seiner mickrigen Lichtschutzfunktion nicht nachkommen kann. Ich habe eine kleines Frühstück dazu gebucht. Der Hotelmitarbeiter hat mir beim Checkin noch versprochen, original norwegisches Nutella zu besorgen, dass viel besser als das Original sei. Tatsächlich finde ich Nugatti vor und ich muss sagen: Gar nicht mal schlecht. Ich persönlich bin ja ohnehin eher Nuspli-Fan. Es fehlt noch ein Foto vom Hotel: Tronsvangen Seterhotell.

    Motorrad wird auch gefahren. Es gibt häufig parallele Straßen auf beiden Seiten eines Flusses, und eine davon ist gerade und verkehrsreicher als die andere. Mein Navi mag heute gern die ruhigere und kurvigere Seite, das hält fit. Es geht 40 km nördlich, Foto machen, und dann wieder zurück. Es ist echt einsam hier. Tankstellen sehen hier so aus.

    Die Hauptrichtung heute ist Westen, über Dovrefjell. Schöner Blick auf den Berg.

    Täler können auch schön sein.

    Dann kommt ein mautpflichtiger Abstecher zu Fjellheim. Das ist eine 10 km lange Schotterstrecke, weitgehend geradeaus und breit genug für zwei Autos. Ganz schön einsam hier, trotz diverser Hütten. Cooler Ort!

    Heute sind für den Nachmittag Regenschauer angesagt, und ich fahre schon eine Weile auf einen zu. Ich habe die Idee, dass ich da ohne Regenkombi durchkomme, aber es wird dann Starkregen, und da stelle ich mich dann doch lieber unter, wenn sich schon so eine nette Gelegenheit anbietet.

    Da es 13 Uhr durch ist kann ich mir eigentlich schon eine Unterkunft suchen, während ich den Regen abwarte. Das angedachte Ende meiner Tagestour liegt in Vestland. Das ist quasi das Fjord-Bundesland von Norwegen. Da werden die Unterkünfte gleich mal knapper und teurer – oder es liegt daran, dass heute Samstag ist? Ich habe jedenfalls die Wahl zwischen einer Hütte für 110 Euro und einem Hotelzimmer für 95 Euro. Da buche ich das Hotelzimmer, Navi schätzt 17 Uhr, passt. Als der Regen nachlässt, fahre ich weiter. Ich durchfahre das Otta-Tal und komme bald nach Lom. Am See wird’s gefühlt direkt 5 Grad kühler, eiskaltes Schmelzwasser über 1000 Höhenmetern.

    Ebenfalls erfrischend, der Verbindungsreißverschluss meiner Membraninnenjacke passt nicht zur Hose, die Hose ist etwas weit, und so läuft mir Regenwasser von der Brust auf den unteren Bauch. Lom ist ein touristisch relevanter Ort, mit einer schönen historischen Stabkirche. Die steht da seit 1170 rum und wurde auch in den 1990ern nicht angezündet.

    Heute sind echt viele Honda Goldwing unterwegs, mit 2 bis 5 Rädern. Motorradanhänger sind populär in Norwegen. Mein Highlight heute ist der Sognefjellet, der mit 1434 Meter nach manchen Zählungen die höchste Passstraße in Nordeuropa ist, und dabei ist er sogar asphaltiert und mautfrei. Man fährt sicher 20 km durch karge Hochgebirgslandschaft. Die Baumgrenze liegt bei etwa 1000 Metern, und auch sonst kann man die Höhenmeter im Vergleich zu den Alpen einfach gedanklich verdoppeln. Ich bin hier am Stilfser Joch des Nordens, sozusagen.

    Mit Blick auf Gletscher.

    Der Straße zur Juvasshytta links ignoriere ich - das wäre mit 1850 Meter die höchste asphaltierte Straße in Norwegen (und in Nordeuropa), aber eben Sackgasse, kein Passknackerpunkt und im Regen macht's echt wenig Sinn. Die Autofahrer auf der Hauptstrecke und auch die meisten Wohnmobilisten machen Platz, wenn sie ein Motorrad hinter sich bemerken. Die Streckenführung ist stellenweise kilometerweise schnurgerade, aber sehr uneben. Selbst auf einer Enduro kann man nicht über die Kuppen gucken, da ist Sorgfalt gefragt. Auf der Westseite bitte links abbiegen, mautpflichtig über den Tindevegen. Den bin ich schon vor 11 Jahren gefahren, als ich eher planlos durch Norwegen gekreuzt bin, und das war ein regnerischer Tag. Heute kamen nach dem Schauer nur noch einzelne Tropfen. Die Nordseite fährt sich wie ein Alpenpass, oben ist eine Mautstation. Da man auch online zahlen könnte, gibt es keine Schranke, aber einen Automaten und keine zweite Spur. Und wenn sich erst eine Autoschlange gebildet hat, dann zahlt halt jeder direkt, wenn er schon warten musste. Ist ja egal, wenn die dahinter dann auch warten müssen. Nur ein einsamer Motorradfahrer nutzt den freien Raum rechts und zahlt später online. Die Südseite ist sehr schmal und zieht sich 1,5-spurig, wellig und kurvig. Wer eine Drone dabei hat zur Gegenverkehrsvorhersage kann hier viel Zeit sparen. Auspex Stufe 2 tut's aber auch. Bald kommen ein paar Kehren und man hat den Blick auf Ovre Ardal.

    Hier wird es sofort wärmer. Klar, ist ja auch angenehm warmes Meereswasser hier. Ja, man kann in einem Tag quasi von der Schwedischen Grenze zur westlichen Küste fahren, weil die Fjorde so weit ins Land hinein reichen. Schnell noch einkaufen fürs Abendessen und für morgen (Sonntag!) 'ne Cola. Es ist gerade mal 16 Uhr. Ich war wohl schneller als das Navi dachte – oops :)

    Mein Hotel liegt etwa zwischen dem Wohngebiet und der großen Aluminiumfabrik, die hier von der Wasserkraft profitiert. Norwegen hat einen Strommix aus 95% Wasserkraft und 3% Windenergie. Es ist aber kein zertifizierter Ökostrom, weil die Herkunftsnachweise für Ökostrom handelbar sind und sie diese natürlich meistbietend verkaufen, z.B. an deutsche Ökostromanbieter. Darum dürfen Norwegische Unternehmen eigentlich nicht sagen, sie würden Ökostrom nutzen, selbst wenn sie ihr eigenes Wasserkraftwerk haben. Der Markt regelt bekanntlich alles. Aber ich schweife ab. Das Hotel ist gar nicht so gut für fast 100 Euro, aber dafür esse ich im Bett Chips, ätsch!

    383 km heute, 35,6% Norwegen - noch 1700 km bis Kristiansund, 4300 km bis zum Nordkapp

    Einmal editiert, zuletzt von blahwas (3. August 2024 um 18:07)

  • So 04.08. Sognefjorden

    Die Nacht im Hotel war erholsam. Nach dem Frühstücksriegel geht’s auch schon auf Achse. Heute stehen wenige Punkte auf dem Programm, aber mit viel Strecke dazwischen. Merke: 400 km sind 8 Stunden mit Tempo 50, oder 5 Stunden mit Tempo 80. Leider stehen auch Regenschauer auf dem Programm. Aber ich habe ja alles dabei. Stiefel, Handschuhe und Hose sind nagelneu. Der erste Punkt heute heißt Tyin. Es ist Sonntag früh um 9 sehr einsam auf den Straßen.

    Danach kommt ein Stück E16 und ein Abstecher zum Hemsedalsfjellet.

    Da bin ich dann schon in Regenkombi unterwegs. Leider trete ich beim Absteigen mit dem rechten Stiefel in eine 10 cm tiefe Pfütze in einem Schlagloch. Hoffentlich hält das dicht. Es geht weiter die E16 entlang, inzwischen ist auch etwas mehr Verkehr. Borgund liegt auf dem Weg mit einer alten Stabkirche, die relativ frisch geteert ist.

    Über den Aurlandsvegen / Bjorgavegen habe ich leider keine Aussicht, sondern Wolken. Auch am Skywalk hätte man nur prima Sicht auf die Wolken von innen. Einen Kilometer weiter gibt’s dann aber endlich freie Sicht auf einen Seitenarm des Sognefjords, der mit 205 km der längste Fjord Europas ist.

    Der Regen hat wieder aufgehört. So geht’s zum Geiterygg hoch. Oben mache ich eine kleine Pause und prüfe, ob der rechte Stiefel undicht ist? Ja, Socken komplett nass. Ob's an der Pfütze liegt? Wohl nicht, denn links ist ebenfalls alles nass. Schöne Scheiße, neue Stiefel komplett undicht! Da werde ich wohl morgen ein Sportgeschäft mit wasserdichten Socken suchen müssen. Wasserdichte Socken gibt's wirklich, sind auch gar nicht unangenehm, und ich habe auch ein Paar davon. Die habe ich aber daheim gelassen, denn meine neuen Stiefel sind ja wasserdicht... Immerhin halten Hose und Handschuhe.

    Morgens hatte ich noch gesehen, dass es eine lange Strecke ohne Tankstellen gibt, und dass ich besser im Tal tanken sollte. Tja, ratet mal, wer das nicht getan hat... Am Ende stehen 372 km auf dem Tages-km Zähler der Aprilia, ich komme zur Tankstelle und dort passen dann nur 15,45 Liter in den 18 Liter Tank. Ich hätte aber noch einen 1 Liter-Kanister dabei, das beruhigt doch sehr. Und bergab ging's auch schon länger.

    Letzter Pass heute ist der Dyranut / Hardangervidda. Auf dem Weg dorthin ist richtig viel Verkehr. Ich komme auch wieder durch Geilo, und an der Stelle mit dem Camperunfall vorbei, aber in die andere Richtung. Dafür fängt der Regen wieder an, bzw. fahre ich auf sehr dunkle Wolken zu und es windet sehr stark. An der Passhöhe ist ein Cafe, da gehe ich jetzt rein.

    Es gibt Zitronenkuchen und Cola. Als ich weiterfahre, ist der Regen vorbei, aber der Verkehr ist nicht weniger geworden. Nach der Hochebene folgt eine Kaskade von Tunneln, Kehren und Kehrtunneln. Leider habe ich eine Autokolonne vor mir, und irgendwo weiter vorne anscheinend einen richtig alten Diesel, denn mir wird von den Abgasen richtig schlecht. Bei der nächsten Tunnellücke muss ich rechts ran fahren und mit offenem Helm ein paar Minuten durchatmen. Immerhin auch Gelegenheit für ein Foto.

    In solchen Schluchten fährt man in Norwegen übrigens öfters rum, normalerweise mache ich davon nur kein Foto. Nach ein paar Minuten Fahrt habe ich die Kolonne wieder vor mir, aber unter freiem Himmel, und ich mache mich ans Überholen. Ganz vorne stinkt ein Wohnmobil aus den 1980ern Jahren die Welt voll. Endlich vorbei kann ich natürlich jetzt nicht gleich wieder Pause machen. Das muss ich auch nicht, denn jetzt geht’s direkt zum Campingplatz, wo ich eine Hütte gebucht habe, und zwar für zwei Nächte. Ich habe schon vor Monaten bei der Routenplanung ein paar Orte identifiziert, die sich für Doppelnächte anbieten, und das passt heute sehr gut. So muss ich weniger packen und kann einen Tag mit leichtem Gepäck fahren. 12 Minuten jenseits des Campingplatzes gibt’s einen Ort mit diversen Restaurants, und so kann mein Topcase mal beweisen, dass eine Pizza reinpasst :)


    430 km heute, 39,8% Norwegen