5 Wochen Norwegen/Schweden

  • Ich stelle es mir sehr nervig vor wenn es dauerhaft Probleme mit Smartphone und Navigation gibt. Ich wäre jedenfalls ziemlich angefressen. Nun ja ….

    Das die Kommunikation mit Hotel, Motorradwerkstatt usw. nicht gut funktioniert macht die Sache nicht besser.

    Die hörst du trotz allem noch relativ entspannt an in deinem Bericht 👍 Ist auch der bessere Weg, würde mir aber sehr schwer fallen 🤷‍♂️

  • Man kann nicht alles kontrollieren. Es gibt aber viele hilfsbereite Menschen. Und der Hinterreifen hat noch ca 50% nach 18 Tagen, da hält er auch noch 16 weitere bis zu Merlin.

  • Mi 14.08. Alta, Nordkap

    "Die Quelle des Urd ist nicht länger ein dunkles Tief, in das wir starren, sondern ein lebender Strom, der fruchtbar durch die Länder des Nordens fließt. Ja, gegen die höchsten Visionen der Essenz kann sich dieses Leben nun in Entwicklung seiner gründenden Kraft und Sonderlichkeit erheben, erheben zum Allvater, der über Walhall ist, zu ihm, dem wahren Gott..."

    Die Nacht begann kalt, wurde aber gegen 3 Uhr früh sehr warm, als ein südlicher Wind aufkam. Ich war gut erholt. Zum Aufstehen um 7 Uhr war dann schon Christophs Zelt trocken, und auch das Gras. Ein wenig schlechtes Gewissen hatte ich ja schon, fein in der Hütte zu wohnen, während Christoph sich ins Zelt bückt. Aber er mag das so. Ich gab meinen Stiefeln noch Trockenzeit in der Sonne, während wir frühstücken, und habe mich dann erstmals seit einer Woche ohne Tüten über den Socken in die Stiefel getraut. Fun Fact, unser Campingplatz ist 15 km von der finnischen Grenze entfernt.

    Wir fahren heute zum Nordkap, und darauf freue ich mich richtig! Auch wenn das ein Normie-Touristenziel ist, deswegen ist es ja nicht schlechter. Die 460 km schrecken uns auch nicht ab. Wir gönnen uns heute Abend auch gleich zwei getrennte Hütten und unterwegs beschließen wir, dass es auch ein Restaurant sein darf. So geht’s mit guter Laune die 100 km auf der E6 zum ersten Passknackerpunkt. Die Nordküste Norwegen jenseits des Polarkreises ist natürlich extremen Wintern ausgesetzt. Es wächst kaum was und die Zivilisation hat Mühe, sich hier zu halten...

    Kleiner Scherz, es ist im Sommer wirklich sehr angenehm hier und auch im Winter bleibt das Meer eisfrei dank des Golfstroms. In jeder Bucht ein Yachthafen. Den ersten Punkt heute verpasse ich fast, weil er halt doch nicht auf der E6 liegt, sondern oberhalb, auf der alten E6, unter der jetzt ein neuer Tunnel verläuft. Am Kvaenangsfjellet hat man eine prima Aussicht auf den Fjord und dabei ist es wirklich sehr windig – aber weiterhin so warm, dass wir alle wärmenden und isolierenden Schichten ablegen.

    Der nächste Punkt, Kvaenangsveien, folgt schon nach 30 km, mitten auf der E6 – ich bin schon ganz nervös! Dann geht’s wieder sehr lange am Fjord entlang und durch die größte Stadt heute, die auf den griffigen Namen Alta hört. Kann man sich als Ex-Ruhrgebietsbewohner sehr gut merken. Dort tanken wir auf und gönnen uns eine Mittagspause im Supermarkt Gourmet-Bunnpris. Und das ist ja mal 'ne klasse Erfindung! Warme Theke, Tische zum Essen innen und außen, gratis Kaffee und WC, es hätte warme Spare Ribs gegeben – aber wir wollen auf dem Motorrad nicht einschlafen, darum gibt’s Wrap für mich und Obst/Gemüse für Christoph. Die Außentische haben sogar Sicht auf den Fjord. Gourmet-Bunnpris sei hiermit als Geheimtipp für Norwegenreisende auf Budget ausdrücklich empfohlen. Wer halbfeuchte Stiefel/Socken hat, kann sie dabei auch gut in der Sonne trocknen, zumindest auf den Außenplätzen. Jenseits von Alta wird es mit jedem Kilometer einsamer und man sieht auch immer weniger Bäume, dafür aber immer mehr Rentiere.

    Die habe ich in Echt auch noch nie gesehen. Die sind etwa so groß wie Rehe, aber breiter. Das Geweih ist mit Fell bezogen und sieht sehr flauschig aus. Vom Verhalten her sind Rentiere weniger scheu als Rehe und sie wirken insgesamt eher unbeholfen bis ungeschickt. Weglaufen haben sie nicht so verinnerlicht. Wenn man drauf zufährt, gehen sie erst innerhalb von 10 Metern weg, wobei sie defensiv sind, nicht aggressiv. Wir fahren immer weiter, es ist wirklich ungewöhnlich warm. Nur im Tunnel zur Insel Mageröya, auf der das Nordkap liegt, wird es mit 13 Grad richtig frisch, und zwar 8 km lang. Wir zählen die Kilometer zum Nordkap runter.

    Dann zeigt Google Maps eine Verkehrsstörung an, und ich mache mich auf alles gefasst: Drive-Thru Eisdiele? Fahrradgruppe? Baustelle? Harley-Gruppe? Nein!

    Vollsperrung eines Tunnels, der sich nicht umfahren lässt. Eine kurze Online-Recherche fördert zu Tage: Notreparatur an einer „Kaltwassertür“ (?), soll von 15:45 bis 18 Uhr dauern. Am Tunnel ist nicht nur die Ampel auf rot und Personal steht davor, es ist innen auch erkennbar ein sehr massiv wirkendes Stahltor runter gefahren. Es ist 16:15. Christoph packt den Klappstuhl aus.

    So vergeht die Zeit, bis sich das Stahltor wieder öffnet. Es ist 16:25. In den ersten Reihen legen die Motorradfahrer hektisch die Helme an – wissen die mehr als wir? Alle werden hektisch. Christoph baut den Klappstuhl ab, ist aber zu langsam – so werden wir schließlich sogar von ein paar Autos überholt, bis es losgeht. Diese Schmach! Aber, für den weiteren Verlauf ist das positiv, denn jetzt ist vor uns eine große Lücke im Verkehr und vielleicht weniger Trubel am Nordkap selbst. Die paar Autos sind bald überholt, die Motorradfahrer lassen wir ziehen. Die Strecken hier sind durchaus bergig und würden auch in den Alpen nicht langweilig wirken, nur ohne Bäume – hier wächst kaum was. Dafür lohnt es sich, die Augen nach renitenten Rentieren offen zu halten, die haben wenig Angst vor Straßen und Fahrzeugen. Schließlich erreichen wir das Nordkap, bzw. die Touristenanlage davon. Sie kostet Parkgebühr und Eintritt, etwa 5 Euro (ohne Besucherzentrum). Man darf parken, umher wandern, und auch dort campen. Am berühmtesten ist die Weltkugel.

    Da ist ein Selbstbildnis Pflicht, für alle. Auch für mich.

    Ich bin glücklich und zufrieden, dass wir bei besten Wetter hier gut angekommen sind. Aber jetzt führt jeder Tag Richtung Süden. Trotz undichter Stiefel und Schwierigkeiten mit Navi-Handies ist es ein gelungener Urlaub, Christoph ist ein toller Begleiter, und die Tuareg ist ein tolles Reisemotorrad. Wir werden aber nicht hier am Parkplatz campen, und auch nicht bis 1 Uhr warten, um mit dem Motorrad zur Weltkugel fahren zu dürfen, und auch nicht 30 Euro Eintritt fürs Besucherzentrum bezahlen, um dort einkaufen zu dürfen. Daher machen wir uns auf den Weg zu unseren Hütten. Nordkapp Camping heißt der Platz, und er liegt direkt an der Hauptstrecke.

    Der Platz hat auch Nachteile, z.B. 24/7 Motorradverkehr, Duschen kosten Geld, was man erst bemerkt, nachdem man 10 Minuten drauf gewartet hat, dass der Vorgänger fertig ist, langsames WLAN bzw. zu viele andere Touristen. Eine Aversion vor Wohnmobilen sollte man hier aber generell nicht haben.

    Fun Fact, da das Nordkapp auf der Insel Mageröya liegt, ist es gar nicht der nördlichste Punkte auf dem europäischen Festland. Das Nordkap ist der nördlichste auf dem Straßenweg erreichbare Punkt vom europäischen Festland aus. Der nördlichste Punkt auf dem europäischen Festland in Kinnardden, ca. 67 km östlich von hier und nur über eine 2-Tages-Wanderung von einem Flugplatz erreichbar. Aber das ist nicht unsere Sorge, solange Passknacker keine Wanderer-Wertung einführt. Den Abend feiern wir mit Pizza, Burger und Whiskey Cola. Einflüsse auf diese Ausgabe des Reiseberichts sind möglich.


    500 km heute – es zog sich stellenweise, Intercom hält fit


    81,4% Norwegen, 2,8% Schweden

    Ab jetzt geht’s südlich!

  • Do 15.08. Östlichster Punkt

    Tundra (auch Kältesteppe) ist der Oberbegriff für die Offenlandgebiete der (sub-)polaren Klimazone. Der Begriff stammt aus der Geographie und bezeichnet verallgemeinernd einen bestimmten Landschaftstyp der globalen Maßstabsebene.

    Die Nacht war erholsam, der Nachbar ruft zum Frühstück. Die Motorräder werden gesattelt und es geht bei schon wieder gutem Wetter los, runter von der Insel, und dann nach Osten auf die Halbinsel Varanger im äußersten Nordosten Norwegens. Die Routenplanung ist denkbar einfach: 4 Passknackerpunkte liegen auf einer Strecke. Nach dem letzten muss man umkehren, wenn man nicht einige Kilometer weiter ins Polarmeer fallen möchte, also geht’s den gleichen Weg wieder zurück. Morgen geht’s nach Süden, heute gibt’s eine Übernachtung. Diese liegt an der gleichen Strecke, wir fahren also sogar vorzeitig dran vorbei.

    Vom Campingplatz Richtung Honningsvag kommt eine Kreuzung mit einem Wegweiser nach rechts, beschildert nach Olderfjord. Das ist eine deutliche Untertreibung. ALLE Orte, außer Honningsvag und Nordkapp, liegen hier nach rechts ab. Da fahren wir hin. Der Tunnel ist ohne Sperrung viel unauffälliger. Wir kriegen endlich mal ein weißes Rentier vor die Linse.

    Fun Fact: Auch Rentierweibchen tragen Geweih. Es ist ein wenig Touristen-Betrieb auf der Strecke bis zur Stadt Laksel, wo wir die E6 verlassen und fortan der Straße 98 folgen. Nächstes Manöver ist ein Kreisverkehr in 148 km. Der erste Passknackerpunkt kommt nach 217 km. Dafür können wir schon wieder bei Sonnenschein und über 20 Grad den Fjord entlang fahren. Hier sind gleich viel weniger Touristen unterwegs, insbesondere kaum noch Motorradfahrer. Die fahren auf schnellstem Weg nach Süden. Wir fahren die Norwegische Nordküste ab. Das macht sonst kaum jemand.

    Wir machen schon vor dem ersten Passknackerpunkt die Mittagspause, so lange zieht sich das. Am Punkt passieren wir dann einen Canyon.

    So tief ist der nicht. Langsam verändert sich auch die Vegetation. Die Bäume werden kleiner. Entlang der Mündung des Flusses Tana (kein Fjord!) fahren wir 23 km den Fluss hoch, bis eine Brücke kommt. Mein Routenplaner kannte eine Abkürzung, die war aber nicht in Sicht: Das dürfte dann wohl eine Eisstraße sein, die nur im Winter existiert. Google Maps weiß aber Bescheid. Vor der Brücke ist eine Tankstelle, und da machen wir Pause.

    Jenseits von Tara Bru wird die Strecke noch viel einsamer, denn hier geht’s auf eine Halbinsel, die eine Sackgasse ist. Südöstlich würde es nicht nur Richtung Finnland gehen, sondern auch Richtung Russland – auch wenn der Grenzübergang wegen der aktuellen Krise geschlossen ist. Ja, Norwegen hat eine Grenze mit Russland, und die hat schon zu Kuriositäten geführt, z.B. 3500 schrottreife Fahrräder. Wir genießen das gute Wetter und die Aussicht.

    Wind gibt’s hier natürlich auch wieder reichlich. Den sieht man nicht. Aber die Felsen.

    Das könnte man öde finden, aber die Tundra ist auf dieser Hügellandschaft hier durchaus abwechslungsreich. Je nach Bodenneigung wächst mehr oder weniger Gras in gelb, grün oder lila, und es schimmert mehr oder weniger grauer, roter oder brauner Boden durch. Hinter jede Kurve eine neue Welt, und man kann völlig ungestört mit Tempolimit 90 auf sanften Radien durchfliegen.

    Auf den Fotos macht es wenig her, aber für mich hat sich der Tag dadurch schon gelohnt. Fun Fact: Südlich von hier ist bereits Russland. Christoph wirkt nicht unglücklich.

    Genau weiß ich es nicht, ich habe mein China-Billig-Headset gestern Abend nicht geladen, und nach insgesamt 14 Stunden Intercom Dauerbetrieb war dann doch Schluss. Sehr gute Leistung für 23 Euro das Paar.

    Dann aber auf zum Hotel „AuroraLife“ in Tana! Von außen eine unscheinbare Holzhütte. Zwei Zimmer, je 50 Euro die Nacht. Es steht ein Auto aufm Parkplatz, wir werden ran gewunken. Vanja heißt uns willkommen und erklärt uns alles. Wir sind die einzige Gäste. Früher war dies die Station für die Schneemobilfahrer, die im Winter die Straße räumen. Dann hat sie es gekauft und zum Cafe umgewidmet. Dafür hat sie heute keine Zeit mehr, jetzt ist es ein Hotel. Es gibt 6 Zimmer, eine Gemeinschaftsküche und je ein Gemeinschafts-WC und ein Gemeinschaftsbad (mit noch einem WC). Die Gemeinschaftsräume sehen aus wie aus dem Möbelkatalog. Der Fernseher ist größer als meiner daheim, das Sofa etwa gleich groß. Zwei Esstische, eine vollständige Küche. Wow. Es gibt WLAN, hier mitten im Nichts. Und das beste: Wir sind die einzige Gäste und haben das Haus für uns alleine!

    Nach der Dusche kommt die Thai-Suppe auf den Herd, und es wird schnabuliert. Mahlzeit!


    87% Norwegen


    500 km heute

    Morgen geht’s ohne Passknackerpunkte direkt nach Süden. Die Suche nach Unterkunft an der Schwedisch-Finnischen Grenze gestaltete sich eher holprig, und die Wettervorhersage ist auch nicht toll. Aber hey, bisher haben wir auch alles geschafft!

  • Fr 16.08. Brückentag, Lückentag

    Ein Zeitalter der Legenden und der Angst
    Eine Zeit, die so weit entfernt ist
    Der Aberglaube war ein Teil ihres Lebens
    So ungeschützt in den dunklen Nächten

    Traurige Menschen mit bleichen Gesichtern
    Starrten besessen in den Mond
    Manche Erinnerungen werden nie verschwinden
    Und sie werden für immer hier sein

    Blick aus dem Fenster und halb 4 Uhr früh:

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    Dazu hat es sagenhafte 26 Grad. Fun fact: Wir sind hier zwar noch in der mitteleuropäischen Zeitzone, aber sehr weit östlich. Die Staaten des Baltikums, Bulgarien und das griechische Festland liegen vollständig westlich von uns. Der östlichste Punkt Norwegens ist sogar östlicher als Istanbul. Da fahren wir aber nicht hin. Wir verlagern heute nach Süden, denn die nächsten Passknackerpunkte liegen in Schweden. Anstelle des schnellsten Strecke laut Google gönnen wir uns aber eine Abweichung, wir fahren auf der finnischen Seite des Flusses Tana. Da ist weniger Bebauung, und mit Fluss rechts hat man die schönere Aussicht. Also an der Brücke in Tana Bru wieder vorbei (bzw. 2x drüber, weil dort eine Tankstelle ist)...

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    … und dann rein nach Finnland!

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    Wir besuchen zufällig den nördlichsten Punkt Finnlands, der gleichzeitig auch der Nördlichste Punkt der EU ist. Der ist so unscheinbar, das braucht kein Foto. Highlights sind eher die im Schnitt gammligeren Fahrzeuge der Finnen.

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    TÜV kriegt wahrscheinlich Herzinfarkt. Sammler auch. Finne findet es gut. Wir fahren an der Tana entlang. Auf der finnischen Seite ist echt nichts mit Besiedelung los. Wir kommen gut voran. Gelegentlich gibt es auch Parkplätze.

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    Rechts Finnland, links Norwegen. Es ist Regen ab Mittag angesagt. Wir wollen noch möglichst viele trockene Kilometer schaffen, und kehren zu einem ungewöhnlich ausführlichen Mittagessen ein, als der Regen losgeht. Es gibt Pizza. Wir teilen uns eine scharfe 40 cm Pizza. Das macht zwar nicht unbedingt wach, tut aber gut. Weiter geht’s die Grenze entlang, bis es bei Karigasniemi nicht mehr auf der finnischen Seite weiter geht. Nun also wieder Norwegen. Wir sind jetzt auf der Nordkapp-Touristenstrecke für Leute, die direkt anreisen. Wir sehen auch das Ape-Wohnmobil von vorgestern wieder. Klasse Typ!

    So geht es Kilometer um Kilometer, dank Tempolimit 100 ungewohnt zügig. Wir fahren durch dichter werdenden Wald, der auch mit jedem Kilometer mehr Herbstfarben trägt. Der Regen wird stärker, wir tragen längst Regenkombis, aber nach 10 Minuten ist mein rechter Socken trotz Frischhaltebeutel feucht, und nach 30 Minuten komplett durchnässt. Bei inzwischen 13 Grad nicht cool. Unter einem Vordach halten wir, ich will Socken und Beutel wechseln. Das ist ohne Hinsetzen gar nicht so einfach und macht auch nicht wirklich Spaß. Im Kopf spiele ich Vergeltungsaktionen durch für den Hersteller und den Händler dieser grotesk undichten Motorradstiefel, die mir den Urlaub halb versauen. Aber das hilft niemandem weiter.

    Unser Unterkunft ist heute ein kleines Landhotel in Finnland. Es gibt einen Streifen Finnland zwischen Norwegen und Schweden, und da gibt es ein paar Unterkünfte. Zwecks getrennter Zimmer sprengen wir das Budget heute etwas, aber hey. Es gibt noch ein kleines Abendessen und dann wird weiter geplant. Morgen wird das Wetter zum Glück wieder besser.

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    484 km heute

    Passknacker Fortschritt heute genau wie gestern, mangels Passknackerpunkten. Morgen geht’s nach Schweden rein. Wo es sodann an den Passknacker Landespreis Schweden gehen wird – mit Abstechern nach Norwegen zwischendurch, und am Ende sowieso.

  • Immer wieder lesenswert,auch die Bilder sind wirklich schön.

    Und was da so am Tag an Kilometer abgerissen wird...:klatscherEuch weiterhin viel Spaß bei eurer wirklich beeindruckenden Tour.

    Liebe Grüsse aus dem Bergischen Land und alles bleibt besser ;)

    Bleibt alle negativ aber denkt positiv :-/

  • Sa 17.08. Willkommen in Schweden, Kiruna

    Die Samen (veraltet Lappen) sind ein indigenes Volk im Norden Fennoskandinaviens. Ihr heutiges Siedlungsgebiet, Sápmi, erstreckt sich von der Gemeinde Idre in der Provinz Dalarnas län im Süden über die nördlichen Teile Schwedens, Norwegens, Finnlands und im Osten bis zu den Küsten der Barentssee und dem Weißen Meer auf der heute russischen Halbinsel Kola. Die samischen Sprachen gehören zur Familie der finno-ugrischen Sprachgruppe und mit dieser zu den uralischen Sprachen und sind insbesondere mit dem Finnischen verwandt. Die Samen sind heute eine „Minderheit im eigenen Land“. Auf ganz Sápmi bezogen sind nur 4 % der Einwohner Samen. Es leben heute bereits fast 60 % der Samen von modernen Berufen, wobei dem Tourismus eine steigende Bedeutung zukommt. Etwa seit dem 17. Jahrhundert löste die nomadische Rentierwirtschaft der Bergsamen die Jagd ab und wurde zur Grundlage der samischen Subsistenz.

    Unser Gästehaus hat sich als sehr gediegene Unterkunft erwiesen. Das "LappHouse Puistola" ist rustikal, aber herzlich, und mit (mindestens) 4 verschiedenen Heizungssystemen ausgestattet. Es gibt auch einen Stiefeltrockner, aber er scheitert an meinen Stiefeln. So muss ich wieder mit dicken Socken und Gefrierbeuteln hantieren, die mehr oder weniger halten, was den morgendlichen Ablauf enorm verkompliziert und nicht zu guter Laune beiträgt, trotz positiver Wettervorhersage für den Tag. Wir sind außerdem verwirrt von der Zeitzone Finnlands, in die unsere Handies mal rein wechseln, und kurz danach wieder raus. So sind wir nach den ersten Metern auf dem Motorrad überrascht, dass wir eine Stunde früher unterwegs sind also eigentlich gedacht. Das macht aber nix, denn es liegt viel vor uns. Zunächst geht es noch etwas durch Finnland. Der Wald ist hier schon etwas herbstlicher.

    Dann biegen wir aber links ab, nach Schweden.

    Es sieht nicht viel anders aus als Norwegen, bis auf gelbe Verkehrsschilder, weiße Mittelstreifen, und gelb-blaue Leitschilder.

    Die gute Nachricht: Heute sind Passknackerpunkte in der Route! Die schlechte: Der erste ist in Kiruna, nach 191 km. Dort gibt’s eine Seilbahn auf einen Abraum-Berg, und das Nachweismotiv ist die Talstation. Ich habe Lust auf Blödsinn.

    Kiruna ist die größte Stadt heute, und es ist bereits fast Mittag. Darum kaufen wir ein und suchen uns etwas zu essen. Dabei erkunden wir nebenbei noch diese sehr stark vom Bergbau geprägte Stadt. Von hier fährt die Eisenbahn nach Narvik in Norwegen, damit das Erz auf Schiffe verladen werden kann. Fun facts: Es ist die nördlichste Stadt in Schweden. Das Flöz Kiruna hat einen sehr hohen Magnetitanteil, der für die zweitgrößte magnetische Anomalie der Welt verantwortlich ist. Damit die unter der Stadt liegenden Eisenerz-Vorkommen abgebaut werden können, wird die Stadt bis 2040 komplett um fünf Kilometer nach Osten verlegt. Wir sehen einige abgerissene und eingezäunte Gebäude. Es sollen auch 1,7 Millionen Tonnen seltene Erden unter Kiruna liegen. Fun Fun Fact: Seltene Erden sind keine Erden, und sie sind nicht selten. Bzgl. Essen werden wir fündig beim "Arctic Thai & Grill", wo es Thai-Küche, aber auch Burger gibt. Wir lassen uns je ein scharfes rotes Hühnchen-Curry schmecken. Qualität, Preis und Menge passen allesamt sehr gut. Ein echtes Juwel, wenn auch mit Kantinen-Flair.

    Der nächste Punkt heißt Storvägen und ist nur 90 km entfernt. Ich wollte nicht mehr in Kiruna tanken. Wir tanken eigentlich immer zusammen an einer Säule. Da ich die Unterkünfte zahle, tankt und zahlt Christoph. Da wir die Kosten erfassen und 50/50 teilen, meine Aprilia aber etwas mehr Durst hat als seine Yamaha, tankt er immer erst seine Yamaha voll, und danach die gleiche Menge in die Aprilia. Wenn man das zu Ende denkt, bleibt die Aprilia irgendwann liegen, auch wenn sie den größeren Tank hat. Da es im Tank dunkel ist und die Tankanzeige defekt ist, weiß niemand so genau, wie viel eigentlich gerade drin ist. Heute ist es nach 6 Betankungen so weit, dass ich eigentlich noch weiter fahren wollte, aber sich dann die Reserve-Lampe meldet. Ich habe also doch eine! Und sie funktioniert noch, trotz defektem Tanksensor! Was ist das denn für eine Technik? Naja, Reserve sind 3 Liter, das sind bequem 70 km. Und wir haben beide noch Kanister dabei, es bestand nie reale Gefahr. Ich bin beruhigt, dass ich den Rest der Tour einfach gucken muss, ob die Reserve-Lampe leuchtet. Aber dann nehmen wir doch die nächste Tankstelle in einem kleinen Dorf. Der Passknacker ist eher unscheinbar, bietet aber immerhin einen kleine ebene Fläche abseits der Straße.

    Hier könnte man Wild campen! Man kann aber auch weiter Schichten anziehen, oder seine Heizjacke anschließen, denn uns ist beiden trotz Trockenheit und 18 Grad auf dem Thermometer echt kalt. Kurz darauf passieren wir erneut den „arctic circle“, nun aber von Nord nach Süd. Und dabei fahren wir aus dem Herbst in den Sommer, denn die Bäume sind nun immer weniger gelb und mehr grün.

    So fressen wir die Kilometer weg, 62 km zum Punkt Porjusvägen, und dann schlappe 198 km zur Unterkunft kurz vor Ardvidsjaur. In Ardvidsjaur testet die europäische Autoindustrie gern die Wintertauglichkeit ihrer Fahrzeug, also gibt’s dort Hotels – die sind aber eher selbstbewusst bepreist. Unsere Unterkunft ist eine private Hütte im Wald, nur über eine Schotterstraße zu erreichen.

    Das schockt mich nicht, da bügle ich mit Tempolimit drüber. Christoph darf zur Abwechslung mal vor, der hat mehr Spaß dran als ich. Die Hütte ist sehr fein ausgestattet, wir haben sogar Feuerholz.

    Ich werfe das erste Mal auf dieser Tour eine Waschmaschine an. Zum Abendessen gibt’s Brot und Snacks.


    577 km heute, neuer Rekord. Das meiste davon mit Tempolimit 100, und über 99% mit Tempomat. Nahezu meditatives Motorradfahren. Intercom, Podcasts und Musik helfen sehr, vor allem aber der Tempomat. Das war die absolut richtige Entscheidung.


    84,7% Norwegen, 11,1% Schweden

    Morgen gibt’s viel mehr Passknackerpunkte und einen Abstecher nach Norwegen!

  • 18.08. Hattfjelldal und sagenhafte Wege

    Left Hand Path (englisch für „Pfad zur linken Hand“) ist das Debütalbum der schwedischen Band Entombed. Es erschien im Juni 1990 und gilt als stilprägend und richtungsweisend für den schwedischen Death Metal. Adepten des Pfades zur Linken Hand erfüllen zwei Hauptkriterien: Apotheose und Antinomismus. Apotheose basiert auf den Unterkategorien Individualismus bzw. Selbstbewusstsein, Initiation und Magie. Antinomismus schließt die heterogenen Elemente eines jeweiligen Sozialsystems ein. Ein Adept des Pfades zur Linken Hand strebt eine ethische Position jenseits von Gut und Böse (vgl. Friedrich Nietzsche) an.

    Unsere Luxushütte am Schotterweg hat uns gestern viel Freude bereitet. Meine Nacht auf dem Schlafsofa war nicht ideal, aber erholt war ich trotzdem. Die permanent laufende und nur vom Besitzer gesteuerte Klimaanlage hat meine frisch gewaschene Wäsche trocken bekommen. Auch das Wetter ist trocken angesagt. So genießen wir entspannt unser Frühstück, packen ein und fahren los. In Arvidsjaur wird getankt und eingekauft. Ortsübliches Fahrzeug in Schweden:

    Alte Volvo mit Zusatzlampen. Weiter nördlich noch gern mit Dachbox. Auf dem Weg zum ersten Passknackerpunkt Fjällnäs trennen sich unsere Wege. Ich will den kurzen Weg fahren, nur als Abstecher von der Hauptstraße, Christoph will lieber die ganze Runde fahren, da er so mehr Schotter unter die Räder bekommt. Ich kann also gemütlich Pause machen...



    Dachte ich zumindest, denn er ist erstaunlich schnell da. Auf nichts ist mehr Verlass. Unsere Route führt uns heute ziemlich gerade nach Westen, bis nach Norwegen hinein, und dann ein Tal südlicher wieder nach Schweden zurück. Der Punkt Flakaträsk liegt mitten an der E-Straße, dann geht es lange am See entlang und immer mehr das Fjell hoch.

    Ängesdalslia ist ein Abstecher, dann wird’s immer einsamer und über Atoklinten erreichen wir Norwegen. Ich fahre seit dem Nordkapp 4 leere norwegische Pfandflaschen spazieren und hoffe, sie in Hattfjelldal abgeben zu können. Diese Kleinstadt hat immerhin einen Flughafen, einen Tankstelle und 2 Supermärkte, und wir fahren eh 2x durch den Ort. Weil der Himmel Regen androht fahren wir aber zunächst weiter, bei Regen macht Pause mehr Sinn als Motorradfahren, und im Trockenen umgekehrt. Nach ein paar Tagen mit Tempo 100 kommt einem Tempo 80 in Norwegen sehr langsam vor. Wir halten uns übrigens wirklich dran, auch wenn die Wahrscheinlichkeit einer mobilen Messung hier sehr sehr gering ist. Die Punkte Akerviken und Kristianhogsten werden besucht. Schöne Landschaft, echte Kurven, das hier ist eher Motorradfahren, wie man es kennt, und weniger Meditation auf Rädern als die letzten Tage.

    Zurück in Hattfjelldal stellen wir fest, dass beide Supermärkte sonntags geschlossen haben. Also eben nur wird getankt und gerastet. Einkauft hatten wir ja früh schon in Schweden. Ich gebe mich geschlagen und entsorge die 4 Pfandflaschen im Gesamtwert von 8 NOK = 0,68 EUR. Weiter geht’s wieder nach Schweden, über eine kleine Nebenstrecke, die wirklich Spaß macht. Aussicht, Kurven, Höhenunterschiede, wenig Verkehr, keine Schilder.

    Die Himmel tut immer so als würde gleich der Regen losgehen, aber außer gefühlter Kälte bei 15-18 Grad passiert nichts schlimmes. Die Strecke führt zum Passknackerpunkt Gielas. Wir passieren die Grenze nach Schweden – hier völlig unbewacht. In Schweden heißt die Straße AC-1088 und gehört zum Sagavägen, einer wenig bekannten Touristenstraße. Link für euch: https://sagavegen.com/de/

    Wir erreichen nicht den Passknackerpunkt, denn wir halten vorher an. Hier liegt unser Campingplatz für diese Nacht. Ein Stück weiter am Kittelfjäll wäre es auch schön gewesen, mit Restaurants, aber da war nichts zu bekommen bzw. zu teuer oder zu kompliziert. Stattdessen haben wir zwei Hütten am Camping Gransjö, mitten im Nichts. Wir stellen erfreut fest, dass beide Hütten riesig sind. Ich will mir ja keine Hütte mit Christoph teilen, weil er schnarcht, aber die größere der beiden Hütten hätte sogar 2 Zimmer mit je einem Stockbett gehabt. Küche mit Abfluss und Wassertank, Sofa, Kamin, Heizung sind auch vorhanden. Aber bei zwei Hütten für unter 100 Euro kann man nicht klagen. Das fehlende WLAN schmerzt etwas, aber ich habe bisher wenig Datenvolumen verbraucht.


    452 km heute - mal eben quer über den Subkontinent :)


    86,4% Norwegen, 22,2% Schweden

    Morgen geht’s fleißig weiter in Schweden. Fernplanung, Strecke: Ich habe noch 2060 km bis zum Passknacker Landespreis Schweden, noch 2430 km bis Oslo. Der Hinterreifen ist etwas eckig und hat ca. 30-40% Profil übrig. Von Oslo bis zum Passknacker Landespreis Norwegen bzw. Fähre sind es 545 km, zu meinem eingelagerten Reifen weitere 500 km. Da bin ich vorsichtig optimistisch, dass ich keinen Reifen in Oslo organisieren muss. Fernplanung, Zeit: Bei 400 km am Tag habe ich inzwischen fast 2 Tage Puffer bis zur Fähre am 28.8. So könnten wir einen Regentag aussitzen, oder ich könnte mir Oslo anschauen. Oder irgendwelchen anderen Blödsinn anstellen, z.B. nur 350 km am Tag fahren.

  • Gestern noch was vergessen: Noch ein Elch! Er stand am Schotterweg und ging sehr zügig in den Wald, als er uns bemerkt hat. Ich habe wohl Glück, schon bei der ersten Nordnorwegen-/Schweden-Tour gleich 2 Elche zu Gesicht zu bekommen.

    19.08. Jämtlands län

    Jämtlands län ist eine Provinz (län) in Schweden. Das Territorium von Jämtlands län macht etwa 12 % der Fläche des schwedischen Staatsgebietes aus. Der Anteil an der Gesamtbevölkerung Schwedens beträgt 1,4 %. Jämtlands län hat mit 2,34 Einwohnern pro qkm die geringste Bevölkerungsdichte Schwedens. Teile der Region gehören zum Siedlungsgebiet der Samen, Sápmi. Die Wildnisstraße (Vildmarksvägen), die Inlandstraße (Inlandsvägen) sowie eine Reihe weiterer Straßen sind als besonders touristisch sehenswert ausgewiesen worden.

    Die Nacht war kalt, aber erholsam. Wir starten daher morgens gleich in sämtlicher wärmenden Kleidung aus unseren Luxushütten. Zunächst geht’s den Sagenweg weiter, den Punkt Gielas eintüten. Wir haben hier und auch später heute immer wieder den Blick auf diverse Seen.

    Nach 87 km kommt die erste Kreuzung, wir biegen rechts ab zum Kultsjölupsen. Das ist eine Abkürzung, die Google Maps vorgeschlagen hat. Christoph ist skeptisch. Es ist eine Schotterstraße.

    Christoph freut sich. Ich habe mich dran gewöhnt und erreiche auch hier inzwischen bequem Tempolimit. Kurz darauf ein sehenswerter Wasserfall, der aber auch ein Touristenmagnet ist.

    Überhaupt haben wir heute ungewöhnlich viele andere Touristen um uns herum, und ihre Wohnmobile auch. Der Verkehr fließt aber weiterhin. Wir befahren den Vidmarksvägen, das der mit 846 Meter höchste anfahrbarer Punkt Schwedens. Da wir schon eine Weile auf dunkle Wolken zufahren legen wir nach in Sachen Regenschutz. Für mich heißt das, Tüten über die Socken. Zum Glück ist hier eine Bank. Das macht es einfacher.

    Der Regen geht zum Glück nie wirklich voll los. Dafür haben wir mehrere Regenbogen heute. Als es zu tröpfeln beginnt gehen wir in einen Supermarkt, und nach dem Einkauf ist wieder Sonnenschein. Wir genießen auf einer Bank unsere Mittagspause mit kleinen Stärkungen. Dann gibt’s einen Abstecher zur Norwegischen Grenze, Passknacker Norgevägen eintüten, und weiter südlich. Hier gibt’s wieder viele Schotterautobahnen zu entdecken. Es ist grundsätzlich hohes Tempo möglich, aber man sollte mit Gegenverkehr rechnen.

    Rechts wird Holz in Schnitzel verwandelt und dann links abgeladen. Hier wird’s für Christoph eng, ich bin aber breiter. Wenn ich einmal mit dem rechten Koffer den LKW touchiere, liege ich im Graben. Da hilft nur Koffer abbauen und hinterher tragen, oder minimal links neben der Piste fahren, und nach rechts geneigt füßeln. Letzteres klappt. Die Punkte heute liegen zwar alle in Schweden, bzw. auf der Grenze, aber wir durchqueren dafür mehrmals kurz Norwegen. Zum Glück ist die Grenze hier völlig offen.

    Später geht’s weitere Schotterautobahnen entlang, die jetzt aber nicht mehr nur Steine mit verdichtetem Sand drauf sind, sondern zusätzlich mit einer Schotterschicht. Da sucht sich das Vorderrad eigene Wege, und das klappt auch gut, außer dass bei mir im Kopf Großalarm ist – denn exakt das gleiche Gefühl hat man im Lenker, wenn man auf der Straße Millisekunden von einem Sturz entfernt ist und schon mal Fötushaltung einnehmen sollte. Schweden hat echt viel Wald.

    Wie ich mich so frage, ob man auf solchen Strecken eigentlich mit Wildwechsel rechen muss, überquert ein roter Fuchs gemütlich die Straße, allerdings 300 Meter entfernt. Unsere Unterkunft erreichen wir heute etwas früher als geplant, weil heute wieder hohes Tempo möglich war. Es ist ein Dorfsupermarkt, der im ersten Stock eine Ferienwohnung vermietet.

    Wir haben 90 qm, 3 Schlafzimmer, Küche, WLAN, Bad mit Dusche usw., für 77 Euro. Nur ohne Reinigung, ohne Bettwäsche und ohne Handtücher. Da wir den Supermarkt unter uns haben, wird leckerer als sonst eingekauft. Es gibt Lasagne, Spare Ribs und Süßkartoffelpommes, außerdem Eineinhalb Bier.


    413 km heute


    86,4% Norwegen, 38,9% Schweden

    Morgen geht's weiter nach Süden, durch Schweden. Die Wettervorhersage stimmt optimistisch.

  • 20.08. Blaikfjället, Störsund, Häggsjön

    Das Objektive Universum (OU) ist der Kosmos bzw. die Weltordnung. Das OU kann sowohl mit der „Natur“, als auch – in pantheistischen Strömungen – mit Gott identifiziert werden. Das Subjektive Universum (SU) ist die „Welt“ eines jeden Menschen. Es gibt so viele subjektive Universen, wie es Menschen gibt. Eine Erfahrung des objektiven Universums ist nur indirekt, gefiltert durch die Wahrnehmung des subjektiven Universums, möglich. Wir finden in allen subjektiven Universen eine universelle Gemeinsamkeit – die Separation vom objektiven Universum, die durch das Bewusstsein eingeleitet wurde.

    Wir hatten eine erholsamen Nacht in unserer 90 qm-Unterkunft. Kann man sich merken: Norråkers Handel. 9 Uhr geht’s dann auch direkt los, auf Schotterwegen rund ums Blaikfjället drei weitere Passknacker einzutüten. Es ist frisch und bewölkt, aber trocken. Als Fotomotive gibt’s überall Schilder, nicht nur Bäume oder Abzweige. Und leider auch wenig Landschaft, da stehen ja meistens Bäume davor.

    Am beeindruckendsten ist der letzte Punkt dieser Gruppe, „Gitsfjället / Blaikfjället“ heißt er in der Datenbank, 665 Meter hoch, zwischen Holzgestellen, die Schneeverwehungen verhindern sollen, ganz weit oben auf einem Hochmoor. Man kann ruhig ins Gebüsch gehen zur Notdurft, man sollte aber auf den Boden achten. Der ist weicher als ein amerikanischer Hotelteppich, so viel Moos ist drauf. Oder man tritt ins Leer und steht knietief im Wasser.

    Danach folgt eine lange Überführung, 164 km bis zum Nächsten Punkt. Wir fahren wieder auf der E45, dem Innlandsvegen. Störsund ist die größte Stadt, die wir heute passieren. Nach so viel Abgeschiedenheit ist das schon fast Reizüberflutung. Wir tanken, suchen ein Restaurant und kaufen dann ein. Die Wahl fällt auf Pizza beim Pizza-Pasta-Burger-Mexiko-Mann. Der Supermarkt gegenüber macht den Einkauf leicht. Es fahren überraschend große LKW hier.

    Hinter Störsund biegen wir rechts ab auf die Straße 339 und sind gleich wieder sehr einsam unterwegs, und bald auch auf Schotter. Die Strecke sind etwas schmaler als morgens, zwei Autos müssen sehr langsam fahren, ein Auto und ein Motorrad schon gegenseitig Rücksicht nehmen. Die Sandpisten hier sind nahezu so griffig wie Asphalt, außer da, wo Schotter drauf liegt, da tanzt geradeaus das Vorderrad und in Kurven sollte man sich sehr zurückhalten. Man will also echt nicht in einer Kurve außen auf den Schotter kommen. Es kommt uns fast niemand entgegen, aber manchmal halt doch: Und dann gleich ein ordentlich großer LKW. Da wir immer vorsichtig fahren, war das aber kein Problem. Die Strecken sind auch so gerade, dass sie zum größten Teil sehr gut einsehbar sind. Und es wird wärmer, wir schaffen zwar keine 20 Grad, kommen aber nah dran. Auf dem Weg zum „Lövhöjden / Skalbodt Järn“ haben wir immerhin Aussicht auf einen See.

    Es gibt viel schöne Landschaft hier. Leider sieht man sie nicht, weil so viele Bäume im Weg stehen. Da fallen eher noch Bauwerke auf.

    Und schon bald ist unsere Unterkunft erreicht. 15:50 ist früher als sonst, trotz Start wie üblich gegen 9:00 – aber Christoph wollte etwas kürzer fahren. Wir haben diese Ferienwohnung gestern über Booking gebucht, obwohl sie noch keine Bewertungen hat.

    Nach der Buchung habe ich nichts mehr von der Unterkunft gehört. Andere schreiben einem 15x dass sie sich sehr freuen und dass man im Ort angeln kann und dass man sich unbedingt melden soll wenn man Fragen hat und dass sie ein Babybett dazu stellen können und und und... was auch nicht besser ist, besonders nicht bei 7 verschiedenen Unterkünften pro Woche. Aber hier ist jetzt leider niemand da, um zu öffnen. Nach drei Anrufen geht die Vermieterin ans Telefon: Sie ist in der Arbeit und weiß nichts von einer Buchung, aber sie schickt eine Nachbarin vorbei. Die ist dann auch 30 Sekunden später zur Stelle und zeigt uns freudig alles. Hier aufm Dorf wären die Türen eh nicht verschlossen und jeder weiß, wie er beim Nachbarn reinkommt. Auch in den Autos stecken oft die Schlüssel. Wir bekommen auch das WLAN-Passwort und sind sehr zufrieden. Die Sonne scheint und unter dem Vordach kann man es gut aushalten.


    360 km heute


    86,4% Norwegen, 55% Schweden. 1615 km bis Oslo.

  • 21.08. Storlien i regnvær

    Die Schwedisch-Norwegische Union oder Schweden-Norwegen war eine Personalunion der beiden skandinavischen Länder Schweden und Norwegen, die von 1814 bis 1905 existierte. Sie ging aus dem Kieler Frieden infolge der Koalitionskriege sowie der Konvention von Moss hervor. Die beiden Regierungen der Länder hatten ihren Sitz in den Hauptstädten Stockholm und Kristiania (heute Oslo), wobei die norwegische Regierung an die schwedische Regierung in Stockholm gebunden war, mit der Zeit jedoch immer mehr Autonomie erlangte.

    Nach einer ruhigen Nacht und dem Frühstück, dass durch Christophs Einfluss immer besser wird, geht’s heute etwas später los. So rollen wir erst 9:10 vom Platz. Die Wettervorhersage ist kein Grund zur Freude, aber zunächst ist es trocken. Die Routenplanung hat heute auch nur 2 Passknackerpunkte zu bieten, wobei der erste am Ende eines 40 km-Abstechers liegt. Davor und danach fahren wir Hauptstraßen, immer Richtung Trondheim, Norwegen. Zunächst geht’s raus aus der Nachbarschaft der Unterkunft, und da ist offensichtlich Motorski ein großes Thema. Bzw. Schneemobil, Motorschlitten oder Schneemotorrad, oder wie man die Dinger eben nennen möchte. Überall sind markierte Wege, Werkstätten, Händler. Es ist aber keine Saison gerade.

    Es dauert überraschend lange, bis wir auf die Hauptstraße E14 treffen. Vorher haben wir noch einen netten Blick auf diesen See.

    Hier im Tal scheint eher Pferdezucht und Reiten das Thema zu sein. Dann geht’s lange nach Westen, und schließlich auf unseren Abstecher zum Gamlavägen, der „alten Straße“ nach Norwegen. Wir fahren schon länger auf dunkle Wolken zu. Christoph ist direkt in Regenkombi gestartet als Kälteschutz, ich bin bisher aber tapfer geblieben. Doch bei diesen Aussichten...

    … ist es dann doch Zeit für die volle Regenpelle. 2 km später geht’s auch schon richtig los, und bis zum Passknacker ist bereits mein rechten Socken nass. Wasserdichter* Socken in wasserdichtem* Frischhaltebeutel in wasserdichtem* Stiefel, ich bin begeistert (*angeblich). Erstes Passknackerfoto heute nach 183 km.

    Nach dem Foto geht’s die 40 km dieses Abstechers wieder zurück, immerhin schön flüssig kurvig und mit wenig Verkehr, und zurück zur E14, die Hauptstrecke Richtung Trondheim. Storlien ist ein kleiner Ort am so ziemlich höchsten Punkt der Strecke, außerdem die letzten Ortschaft vor Norwegen. Der Ort floriert als Einkaufsparadies für zahlungskräftige Norweger hier im Niedrigkostenland Schweden.

    Wir nutzen die Mittagszeit für einen Hotdog, und einen Einkauf, und ich kontrolliere den korrekten Sitz der Frischhaltebeutel: Sitzt korrekt, ist luftdicht, aber trotzdem innen nass. Wenn man mit jedem Schritt mit dem Socken in eine Pfütze tritt hilft das der Laune echt nicht. Aber Christoph macht fette Beute für ein vielversprechendes Abendessen. Dann gibt’s noch „günstigen“ schwedischen Sprit in den Tank - ich konnte Christoph überzeugen, 270 km nicht zu tanken! - und rein geht’s nach Norwegen. Hier gibt’s tatsächlich eine Eisenbahnstrecke parallel zur Straße, die gerade elektrifiziert wird. Hier wird schwedisches Holz in norwegische Papierfabriken transportiert. Wir aber fahren Motorrad. Seit dem Regeneinsatz habe ich mein Handy weggepackt und folge nun blind Christoph, der mit seinem Garmin Montana Urgestein einen Track abfährt, den er daheim basierend auf meiner Route (Reihenfolge der Passknackerpunkte) erstellt hat. Das heißt:

    Schotter! Es ist sogar eine mautpflichtige Privatstraße, für Motorräder aber freundlicherweise kostenlos. Schotter nass mit schlammigen Abschnitten, um genau zu sein. Meine Koffer werden ordentlich dreckig. Dafür lässt der Regen deutlich nach. Wir fahren ein schickes Tal entlang die Straße 705 Tydalsvegen.

    Dort liegt der nächste Passknackerpunkt, aber vorher kommt schon unser Campingplatz, auf dem wir die größte Hütte gebucht haben: Schlafzimmer mit 4 Betten und Wohnzimmer mit Küche und Schlafsofa. Außerdem Ofen mit Kamin und zwei Elektroheizungen, die wir auch alle sofort in Betrieb nehmen, denn die Bude hat 14 Grad und uns ist kaaalt. Nach dem Auspacken und noch der Dusche gibt’s eine Thai-Suppe zum Aufwärmen von innen. Nach der Dusche frische Tortellini mit Käsefüllung an Tomatensoße. Christoph gefällt sich in der Rolle als Koch und ich freue mich darüber sehr.


    413 km heute, nein es hätte keine kürzere Strecke gegeben, auch nicht mit Enduros


    86,4% Norwegen, 61% Schweden. 1206 km bis Oslo.

  • Unsere Hütte liegt echt malerisch, und ist nachts wirklich putzig anzuschauen. Wir haben kräftig eingeheizt, weil es drin nur 13 Grad hatte und wir vom Regen ganz schön durchgefroren waren.

    Dafür eines der schönsten Fotos dieser Reise.

    22.08. Von Norwegen auf die wirklich höchste Passstraße von Schweden

    Dead (* 16. Januar 1969; † 8. April 1991 in Kråkstad), bürgerlich Per „Pelle“ Yngve Ohlin, war ein schwedischer Musiker. Er war Gründungsmitglied der einflussreichen Death-Metal-Band Morbid, sowie von 1988 bis zu seinem Tod Frontmann und Sänger der Black-Metal-Band Mayhem. Die Mitglieder von Mayhem beschrieben Dead als introvertiert, depressiv und seltsam; unter anderem sammelte er tote Tiere, atmete deren Verwesungsgeruch ein und neigte zu autoaggressivem Verhalten. Dead prägte die Entwicklung von Mayhem erheblich, nahm aber nur wenige Stücke mit der Band auf. Im Laufe der ersten Jahre nach seinem Suizid entwickelte er sich zu einer der größten Kultfiguren der europäischen Black-Metal-Szene.

    Nach einer unruhigen Nacht auf einem eher harten Sofa, dass mir beim Einschlafen noch groß genug ist, im Laufe der Nacht aber zu klein wird, und vielleicht dank das übertriebenen Einsatzes von Brennholz, geht die Sonne zu einer normalen Zeit auf und wir beginnen mit guter Laune unser Tageswerk, denn heute ist gutes Wetter angesagt und es geht wieder in die Berge, ganz ohne Europastraßen. Nachmittags kommt eine Regenschauerzone von Norwegen her, das könnte man aber aussitzen. Zunächst besuchen wir die letzten beiden Punkte in Norwegen für heute, Riastvegen und Stugudalfjell. Der erste ist ein Abstecher auf Schotter mit Blick aufs Fjell.

    Wir sind etwas verwirrt davon, dass er als Privatstraße mit Mautpflicht ausgeschildert ist, aber auf der Infotafel fehlt eine Preisangabe für Motorrädern. Dann wird es wohl kostenlos sein? Wenige Kilometer später passieren wir schon die Grenze nach Schweden. Der Grenzübergang selbst ist ein Passknackerpunkt. Der nächste Punkt in Schweden ist Flatruetvägen, und ist tatsächlich die höchste anfahrbare Passstraße in Schweden mit 975 Meter. Nicht das was ich früher behauptet habe! Der Weg dorthin ist schnurgerade und Schotter, mit guter Aussicht, viel Wind und Kälte trotz der Sonne.

    Man kann ganz schön weit gucken hier.

    Das ist auch die einzige Stelle der heutigen Tour, wo wir nennenswerte Fahrzeuge ohne schwedische Kennzeichen sehen. Alles andere sind Insider :) Es geht allerdings so lange durch Wald, dass wir nicht für Fotos anhalten. Dafür haben wir ca. 20x Rentiere auf der Straße oder neben der Straße auf diesen 50 km der Ostseite des Björnsjöberget. Mittag machen wir knapp abseits der Route bei einem typischen Pizza-Pasta-Burger-Laden. Mein Burger war 4 von 5 Sternen, also sehr gut, aber das Fleisch könnte natürlich immer besser sein, Pommes gut, und die Pizza war auch in Ordnung. Tankstelle und Supermarkt sind auch im Ort, und damit ist der Tagesbedarf schon erfüllt – es geht weiter! Vom angedrohten Regen ist wenig zu sehen, und auch auf dem Regenradar haben sich die Wolken weitgehend aufgelöst. Sehr gut, dann fahre ich weiter ohne Regenkombi und bekomme vielleicht die Stiefel irgendwann trocken. Es geht jetzt 140 km westlich, Richtung Hedeviken. Die Ortschaften und auch die Landschaft sind von Skitourismus geprägt, und weil keine Saison ist, ist wenig los und viel hat geschlossen.

    Letzter Punkt des Tages ist eine Holzhütte am Punkt Skärsjövalen, Sogar hier oben am Berg, nur über Schotter zu erreichen, stehen alle 100 Meter Holzhütten. Das sind definitiv mehr als 2 Einwohner pro Quadratkilometer.

    Danach geht’s zur Unterkunft, und das zieht sich dann doch wieder. Wir sind ja nichts mehr gewöhnt! Diese 66 km kommen uns länger vor. Den Autos hinter uns anscheinend auch, denn sie überholen uns, obwohl wir bereits Tempolimit fahren! Den Vogel schießt dabei ein Polizei-Volvo ab (ohne Blaulicht), der ungefähr das doppelte des erlaubten fährt und 15 Minuten später anscheinend sinnlos am linken Straßenrand parkt.

    Unsere Unterkunft ist eine Ferienwohnung in einem ziemlich toten Skiressort am Fuße der Skipiste. Es ist kein Personal da, aber der Weg zwischen all den Gebäuden ist gut ausgeschildert. Wir finden eine Walk-in-Rezeption, dort einen Umschlag mit meinem Namen, darin eine Wegbeschreibung zum Gebäude und einen Schlüssel. Das Gebäude erinnert an ein Motel, man kann also direkt an der Wohnungstür parken. Für knapp unter 100 Euro gibt’s hier 2 Schlafzimmer, Bad und ein Wohnzimmer mit Küche und insgesamt 5einhalb Betten. Kann man nicht meckern! Die Auslastung ist sehr gering, wir sehen nur 3 andere Autos. Die Bude hat einen Trockenschrank für nasse Skiklamotten! Da kommen gleich mal meine Stiefel rein! Die sind immer noch nicht trocken, diese verfluchten Mistdinger. Abendessen ist heute kalt, wir hatten ja mittags schon was warmes.


    435 km heute


    88,1% Norwegen, 77,8% Schweden. 777 km bis Oslo.

  • Frage ist dann, auf welchen Platz Du es beim Passknacker noch schaffst. Das scheint so ein Endorphin - Ding zu sein, wie social media :peacy Solange das aber zu so tollen Berichten führt, finde ich das wirklich gut :klatscher

  • Ja, die Nummer mit den Passknackerpunkten erschließt sich mir auch nicht, aber wenn als Nebenprodukt ein wunderbarer Reisebericht raus kommt, ist alles gut.

    Don't eat the yellow snow where the huskies go (Zappa)

  • Schön, dass Ihr das auch so seht. Ich schwanke zwischen ehrlicher Bewunderung und Kopfschütteln. Freue mich aber über jeden neuen Bericht.

  • Schön, dass Ihr das auch so seht. Ich schwanke zwischen ehrlicher Bewunderung und Kopfschütteln. Freue mich aber über jeden neuen Bericht.

    Da schwanke ich gar nicht, die Reise und blahwas' Berichte bewundere ich.
    Und wenn das alles noch mit einem Spiel verbunden ist, warum nicht...

    Don't eat the yellow snow where the huskies go (Zappa)