5 Wochen Norwegen/Schweden

  • Chapeau 🪖 Johannes !

    Deine Reiseberichte haben mich wirklich berührt und bewegt … 👍

    Danke Schön und gute Rückreise

    Grüße vom Rajo

  • 30.08. Ins Sauerland

    Die Nacht im VW Bus war dank ebener Liegefläche erholsam, obwohl ich wieder irgendein fiependes Insekt dabei hatte. Zum Frühstück gab's hauseigene Nutella, und dann war es auch schon Zeit für den Abschied. Meine Gastgeber waren perfekt, vielen herzlichen Dank! Dabei kannten wir uns vor 6 Wochen noch gar nicht.

    Los geht’s guter Dinge, aber nach 1 km zeigt das Display roten Fehlertext an und die ABS/ATC Lampen sind an. Oha, da ist wohl ein Raddrehzahlsensor unglücklich. Ich fahre rechts ran, das Kabel ist noch dran, aber irgendwie gespannt? Naja, ich bin erst 1 km weg, da fahre ich doch einfach mal zurück. Merlin steht noch vor seiner offenen Garage, und 30 Sekunden später ist meine Tuareg aufgebockt wie in einer Boxengasse. Koffer ab, Sensor raus schrauben – sieht ok aus – reinigen und wieder rein. Außerdem reinige Merlin den Kranz auf der Bremsscheibe, den der Sensor ausliest. Dann mal wieder los, nächster Versuch: Der Fehler kommt nicht wieder. Da sollte ich künftig wohl sorgfältiger sein.

    Dafür kommt aber Regen. Ein Regengebiet zieht von Südwesten nach Nordosten durch, und die schnellste Route verläuft quasi parallel zur Kante, aber innerhalb davon. Darum baue ich als Zwischenziel Bad Segeberg ein, ich fahre also zunächst nach Westen. Google Maps identifiziert den schnellsten Weg nach Süden dann über eine weiter westliche Strecke bis zur A7 und nicht etwa diagonal, und ich bleibe trocken. Die Strecke ist aber leider sehr verkehrsreich und voller Ortsdurchfahrten. Auf der A7 läuft der Verkehr flüssig, und im Norden Hamburgs hat man jetzt Lärmschutzanlagen, die an Flughafenhallen erinnern. Dann schlägt der Verkehr ab zu und ich habe Stop and Go bis zur Mitte des Elbtunnels – bergauf läuft es dann wieder. Ich folge verschiedenen Autobahnen bis Soltau und fahre dann entlang der Weser, um den Großraum Hannover zu meiden. Leider habe ich auch hier viel Verkehr und viele Ortsdurchfahrten. Es ist unglaublich viel Verkehr hier in Deutschland an diesem Freitagnachmittag, was ja irgendwie abzusehen war. Dazu kommen noch Staus und überlastete Umleitungen. Dazu ist es auch noch etwas wärmer als es mir lieb wäre im aktuellen Outfit. Es gibt noch eine eine Mittagspause bei einem Supermarkt mit Bäcker.

    Irgendwo zwischen Minden und Bielefeld ist dann auch Schluss mit lustig und ich überhole etwas zielstrebiger die Kolonnen. Ich glaube, ich habe heute die Kupplung mehr benutzt als in den 34 Urlaubstagen davor. Im Raum Paderborn meldet die Aprilia Benzindurst und ich lasse mich von Google Maps zu einer stadtnahen Tankstelle leiten, die nicht zuviel Umweg bedeutet. Diese entpuppt sich leider als reiner LKW-Versorgungshof. Auch die zweite Tankstelle 1 km weiter hat nur Diesel. Was ist denn hier los? Ich suche ja gezielt freie Tankstellen, daher ist es für mich ok, wenn ich die Namen nicht kenne. Die dritte ist dann eine reguläre Tankstelle und ich kann endlich tanken, wobei es nach der Gewöhnung an skandinavische Verhältnisse schon etwas nervig ist, wieder in den Laden zu gehen zum Bezahlen (mit oder ohne Klapphelm?).

    Mittlerweile ist der Tag deutlich fortgeschritten, und statt ursprünglich mal 4:45 Stunden schnellster, direkter Weg, werden das heute wohl über 8 Stunden Fahrzeit. So geht’s mit weniger guter Laune ins Sauerland rein, wo es dann endlich landschaftlich interessant wird. Auf den Kurvenstrecken werde ich natürlich von Autos behindert, aber das war eh klar. Immerhin habe ich ein paar Passknackerpunkte auf der Strecke, die so direkt dran liegen, dass ich nicht ohne Foto vorbei fahren kann. Das hilft auch der Laune. Die Motive kenne ich noch von früher. Als ich im Ruhrgebiet gewohnt habe, war ich jedes Jahr hier.

    Das versöhnt dann schon. Spät ist es trotzdem, und ich bin verschwitzt. Im Hotel angekommen erwarten mich schon die anderen Gäste, die mich natürlich alle kennen. Bin ja schließlich Chef von's Ganze, wie man so schön sagt. Begrüßen, Einchecken, DUSCHEN, mich wieder an den Komfort eines Einzelzimmer mit eigenem Bad gewöhnen, umziehen und los an die Theke, ans Buffet und vor allem ins Gespräch kommen. So klingt ein eher stressiger Tag sehr angenehm aus.

    Morgen gibt’s hier die Gruppenausfahrt. Ich werde eine Gruppe anführen und muss mich noch mit der Tour vertraut machen...


    470 km heute, die mich unsanft daran erinnern, warum ich (auch) aus NRW weggezogen bin

    Bislang ca. 14500 km auf dieser Tour, wenn ich mich nicht verrechnet habe

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    Das ist dein Einzelschicksal. :peacy

  • 31.08. Sauerland Rundfahrt

    So ein eigenes Hotelzimmer mit eigenem Bad ist schon sehr komfortabel. Das Hotel hat all inclusive, also Frühstück und Abendessen vom Buffet, und Getränke von Wasser über Säfte und Limo bis Bier und Wein. Der Service kommt den Anforderungen auch zeitnah hinterher. Heute machen wir früh ein Gruppenfoto und danach die Ausfahrt, und zwar in insgesamt 4 Gruppen. Ich führe eine davon an. Ich habe irgendwie den Ruf, besonders schnell zu fahren, ich weiß gar nicht warum? Ich habe vorab bereits angekündigt, dass ich unterwegs an den Passknacker-Motiven anhalten werde, und dafür auch hier und da einen Abstecher einbauen werde. Vorher gibt’s aber noch ein Gruppenfoto!

    Ich bin der Fotograf und daher nicht drauf, bis ich mir mit Bildbearbeitung etwas Zeit dafür nehme ;) Meine Gruppe startet als zweite oder dritte. Man könnte auch die schnellste Gruppe als erste starten, damit man sich nicht in die Quere kommt, aber ich fahre ja bald zum Kahlen Asten für ein Foto, und die anderen eben nicht. Dort sollte es eigentlich nur einen 30 Sekunden-Fotostopp geben, aber irgendwer hat immer was zum Umziehen oder Quasseln. Und warum auch nicht, das ist ja kein Rennen. Irgendwann ist Mittagessen gebucht, aber das Restaurant läuft ja nicht weg, und es sind noch drei anderen Gruppen unterwegs.

    So, nun fahre ich also am Samstagvormittag mit leichtem Gepäck Kurvenstrecken im Sauerland! Das ist ein neuer Anwendungsfall für dieses Motorrad, das habe ich damit noch nie gemacht. Leichtes Gepäck heißt Topcase, Packrolle und ein Vorderreifen auf dem linken Sturzbügel. Die letzteren beiden sind noch drauf, weil ich zu faul war, sie abzubauen. Das zusätzliche Gewicht links hilft tatsächlich beim Kurvenfahren, denn links habe ich wegen des Hauptständers weniger Schräglagenfreiheit. Ich habe allerdings auch einen Vorderreifen, der bereits 14000 km gelaufen ist und einen leichten Sägezahn hat, einen dazu noch nicht passend eingeschliffenen Hinterreifen, und mich selbst, der die letzten 35 Tage fast nur geradeaus gefahren ist, und davon 33 Tage mit noch zwei vollen Koffern zusätzlich. Das ist also eine gewisse Umgewöhnung, das läuft noch nicht (wieder) automatisch ab. Die Tuareg und die Reifen vermitteln aber trotzdem stets den Eindruck, dass man alles im Griff hat. Ich bin aber sehr selbstkritisch und achte z.B. darauf, mich in Linkskurven vom Mittelstreifen fern zu halten.

    So weit ich das erkennen kann, bricht in meiner Gruppe aber keine Langeweile aus, obwohl ich die eher erfahrenen Fahrer bei mir versammelt habe, die die letzten Jahre intensiv an ihren Fertigkeiten gefeilt haben. Also Anführer eine Gruppe von 6 oder 7 Motorräder sollte auch nicht so fahren wie alleine, denn sonst wird’s für die Leute weiter hinten echt kriminell bzgl. der Tempolimits. Das klappt gut, und auch die von unserem Herrn Kautabbak geplante Route reiht die Highlights der Region aneinander, ohne zu viele Problemstrecken einzubauen. Auch Fahrverbote, Baustellen und Umleitungen wurden berücksichtigt. Ich habe eine Navigationspanne, das merkt aber keiner. Wir passieren den Edersee, bzw. das was davon gerade übrig ist – und das ist nicht viel. Foto gibt’s leider keines, ich hatte ja immer 6 Motorräder hinter mit. Unterwegs sammeln wir noch das Versysforum-Urgestein Gunigs aka Frieda auf, aktuell unterwegs auf einem wilden 535er Virago Chopper. Es freut mich besonders, Leute aus meiner Anfangszeit zu treffen. Ich hatte meine ersten Alpentouren mit ihm, die Begeisterung hat mich angesteckt und ist auch Jahre später nicht erloschen. Mittag gibt es lecker und gemütlich im Motorad-Hotel Sassor in Battenberg (Eder). Danach geht’s weiter zum Rhein-Weser-Turm, wo es einzelnen Teilnehmer gelingt, an der Theke ein Eis zu bekommen.

    Mich plagt unterwegs immer mal wieder beim Schalten der Tritt ins Leere. Mein Schalthebel hängt schlaff runter. Das Schaltgestänge löst sich immer wieder von der Getriebewelle, obwohl die Schraube oben an der Umlenkung mehr als deutlich angezogen ist und sich auch nicht löst.

    Dank des Sensors für den Schaltautomaten hängt das Teil aber noch am Kabel. Der Schalthebel kann also nicht die Straße berühren, und mit etwas Routine bekommt man das Teil auch während der Fahrt wieder drauf gefummelt. Erst dem Einsatz von Schraubensicherung auf der Verzahnung der Welle gibt das Teil Ruhe, zumindest die letzte Stunde. Wir erreichen gemeinsam wieder das Hotel, ohne Sturz oder Umfaller, und nur mit meiner kleinen Technikpanne. Das ist so das zweite Wehwehchen der Aprilia nach 14000 km Tour und 20000 km Gesamtlaufleistung (das erste ist die Tankanzeige). Da kann man sich eigentlich nicht wirklich beschweren. Am Hotel ist die Stimmung gut. Das Abendessen schmeckt, die Getränke kommen zügig, die Gespräche laufen. So geht am Hotel die Sonne unter am letzten Abend eines gelungenen Treffens!


    241 km heute, fast nur Highlights

    Morgen fahre ich nach Hause. Klingt komisch, kann ich mir gerade auch kaum vorstellen, muss aber sein...

  • Bei den 24er Modellen ist der Schlitz an der Umlenkung etwas länger, dadurch bekommt man beim Anziehen der Schraube etwas mehr Spannung bzw. Druck auf die Verzahnung der Schaltwelle. Oben neu, unten alt

  • Außerdem ist die Bohrung für die Klemmschraube minimal weiter in Richtung Schaltwelle angebracht.

    Dadurch greift die Schraube jetzt in die Nut der Welle und ein Abrutschen ist nicht mehr möglich...

    give respect to get respect

  • 01.09. Am Ende der Reise

    Je stärker dein Wille ist, desto mehr wirst du verschiedenen Prüfungen begegnen. Du kannst sie zwar umgehen, aber die Prüfungen haben den Zweck, dich selbst zu überwinden. Es gibt nichts absolutes in dieser Welt. Gelegentlich verirrt man sich und steht vor unzumutbaren Belastungen. Um diese zu überwinden, braucht man eine feste Überzeugung, Selbstsicherheit und Handlungsbereitschaft.

    Nach einer erholsamen Nacht gibt es ein gemeinsames Frühstück mit der Versys-Truppe. Die Stimmung ist gut, das Treffen ist gelungen, man schmiedet schon Pläne für das nächste. Herzlichen Dank an den Organisator und allen, die zum Gelingen beigetragen haben! Abschied, Einpacken, Motorrad satteln, ankleiden, auschecken, und unter weiteren Verabschiedungen rolle ich schließlich kurz vor 10 vom Platz.

    Es geht direkt nach Hause. Ich habe im Sauerland nur die Passknackerpunkte in den Weg eingebaut, die eh auf dem Weg liegen oder weniger als 2 Minuten Umweg sind. Und leider muss ich auch ganz am Anfang schon einen Umweg fahren, weil man auf dem Motorrad sonntags nicht den Albrechtsplatz von West nach Ost befahren darf, auch wenn das der kürzeste Weg wäre, und so halt andere Anwohner jetzt den Lärm abbekommen. Ich habe mir bei der Vorbereitung also einen Hilfspunkt in die Route gelegt. Das fällt mir morgens nicht mehr ein, als ich dort ankomme. Ich halte also routiniert dort an und fotografiere das Motorrad vor der Bushaltestelle. Diese liegt in der Luftlinie zufällig sogar so nah am nächsten Passknackerpunkt, dass der Telegram-Bot das Foto einem Pass zuordnen kann, aber der Admin sagt dazu (später) „nein!“. Sorry!

    Ich habe im weiteren Verlauf die Passknackerpunkte Mollseifen, Harfeld und Didoll in der Route, um auch mal von Bundesstraßen weg zu kommen. Die Sonne brennt, der Ausflugsverkehr erwacht langsam. Da ist auch mal Zeit für ein Landschaftsfoto.

    Der Kronenberg kommt noch in den Kasten, dann werden die Straßen vierspurig und bald rolle ich die A45 runter bei 33°C. Auf der Autobahn fühlt sich das immer direkt noch 5° wärmer an. Bald brauche ich eine Erfrischungs- und Abkühlpause auf einem Parkplatz. Ich bin zu warm angezogen, wasserdichte Hose und luftdichte Airbag-Weste passen einfach nicht zu 30°C aufwärts. Hinter Hanau biege ich kurz in den Spessart und sacke die Punkte Rabengrundkopf und Daxberg ein.

    Hier habe ich heute eine baustellenbedinge Umleitungen auf den paar Metern zwischen diesen Punkten, und leider auch einen entgegenkommenden Autofahrer, der das auf seiner Seite geparkte Auto überholen will, mitten durch mich hindurch. Im vorletzten Moment bemerkt er mich aber doch noch. Insgesamt ist die Fortbewegung im deutschen Verkehrsraum um Größenordnungen anstrengender als in Skandinavien, dabei sind heute nichtmal LKW unterwegs. Dann geht’s auf die A3 und jenseits von Würzburg wieder runter, weil die B8 laut Google Maps nur 3 Minuten länger dauert, aber wesentlich abwechslungsreicher und auch kühler ist, denn ich leider schon wieder unter der Hitze. Ich komme doch gerade aus der Arktis… So gibt’s eine längere Pause in einem Tankstellen-Cafe mit Eis, Cola und Klimaanlage. Dabei fällt auch wieder der Kontrast zu Skandinavien auf. Deutsche Tankstellen sind echte Tabak- und Alkohol-Werbe/Verkaufs-Paradiese. Danach habe ich noch eine Stunde nach Hause, wobei ich unterwegs Ausschau nach einem Kärcher halte, leider ohne Erfolg. So steht die Aprilia nun dreckig vor meiner Wohnung.

    Gepäck in den 4. Stock schleppen ist auch nicht ohne, wobei ich Zelt und Vorderreifen gleich in den Keller räume. Da ich die letzten 4 Tage in 3 verschiedenen Unterkünften immer mindestens ein Moskito um mich herum hatte, landet das Gepäck zunächst auf dem Balkon, sozusagen in Quarantäne.

    Der Kilometerzähler der Aprilia zeigt nun 20600 km. Vor der Reise waren es 5700. Somit bin ich in diesen 37 Tagen 14900 km gefahren, oder auch 403 km im Schnitt.


    403 km heute

    Damit ist diese epische Reise zu Ende. Ein Fazit folgt noch.

  • wenn ich Dein Bild mit den Sternen als Passknacker Punkte richtig interpretiere, wundere ich mich ein wenig, wie viele es davon im Odenwald gibt, während im Taunus quasi Passknackerfreie Zone ist...

    Gruß JM

    Quae praeter vulgaris

  • Fazit nach 14900 km Reise

    Das Motorrad - Aprilia Tuareg 660:

    Ergonomie passt, Fahrleistungen passen, Zuverlässigkeit passt fast – ich bin durchgekommen. Die Nützlichkeit des Tempomats übertrifft selbst meine optimistischsten Vorstellungen und trug wesentlich zu meinem Wohlbefinden bei in den Bereichen Schulter, Arm und Hand. Wehwehchen gab es am Motorrad: Tankanzeige, Umlenkung Schaltwelle, und ob die Tankentlüftung richtig funktioniert, das weiß ich nicht. Das ist knapp schlechter als ich es von einer japanischen Maschine erwartet hätte, aber für eine italienische ist das sicher nicht schlecht: Immer angesprungen, nie ausgegangen, keine Elektronikausfälle, immer angekommen. Das Original-Windschild hätte 5 cm höher sein können, damit ich keine Windgeräusche abbekomme. Die Sitzbank mit ihrer gelben Oberseite zu reinigen wird spannend. Das Ölwechselintervall ist übrigens 10000 km, das habe ich nun wohl deutlich überzogen, aber ich tröste mich damit, dass es kaum Kaltlaufphasen gab. Die Garantieverlängerung kann ich mir damit aber wohl sparen. Der Motor ist in seiner Leistungsentfaltung zweckmäßig und völlig unauffällig, nichts stört, mit 3,7 L/100 km hatte ich auch einen schön niedrigen Verbrauch in Norwegen. Aber das gewisse Etwas fehlt irgendwie – das Stück Wahnsinn, dass man z.B. bei einer MT-09 jederzeit abrufen könnte, nachdem man genug gemütlich und souverän rumgesurft ist. Nicht dass man das braucht…

    Mein Motorradzubehör hat überwiegend gut funktioniert. Die Heizgriffe waren gut. Die Sitzheizung war zu warm, da liegt ein stufenloser Regler bereit. Die recht neuen Kappa Koffer waren überraschend undicht, und zwar beide. Das alte Topcase war schon immer undicht, das war erwartet. Ich bin kein Fan des Rundumsturzbügelgerüstbaus, aber es hat wohl geholfen. Die SW Motech Griffschalen mit Metallträger haben den Bremshebel geschützt. Die China-Ladedose hat sehr gut funktioniert, sie drückt per USB-PB-Kabel über 1% pro Minute in den Handyakku, selbst wenn man gleichzeitig bei voller Helligkeit navigiert und Musik streamt. Das China-Intercom Y20-2X war die positive Überraschung schlechthin für 24 Euro. Der Hauptständer setzt links früh auf und ist eigentlich zu hoch, daher fällt das Aufbocken unnötig schwer. Der kann dann wohl bald mal daheim bleiben. Dafür ist dies mein erstes Motorrad, bei dem der Seitenständer auch ohne Zubehör nicht in die Wiese einsinkt, was einfach eine Sorge weniger ist.

    Die Länder:

    Norwegen
    Das Land bietet attraktive und einmalige Landschaften, Fjorde, Fjelle und Tundra, und auch teilweise unterhaltsame Motorradstrecken, was besonders im Süden beeindrucken kann. Passknacker kennt da viele leckere Strecken abseits der Touristenpfade, z.B. im Hinterland der Telemark, das Westkap usw. Jenseits des Atlantic Highway fängt es aber an, sich zu wiederholen, und jenseits von Trondheim muss man schon wirklich wollen. Norwegen ist trotzdem nicht das erste Land, das einem für Motorradurlaub einfällt, weil der Weg weit ist, und es kann gerne mal länger regnen. Das Nordkap ist ein Sehnsuchtsort, den man ruhig einmal oder auch mehrmals besuchen kann – sicherlich einer der Bikertreffs in Europa mit der größten Strahlkraft. Da wird’s dann auch wieder kurvig und landschaftlich attraktiv, aber der Weg dahin ist eben wirklich sehr weit und wenig unterhaltsam. Vielleicht mache ich das später nochmal. Auch die Stadt Oslo ist eine Reise wert, ohne dass man dafür Black Metaller sein muss.

    Schweden
    Wer gern schnelle Schotter- und Sandpisten fährt, mit Rentieren kuscheln und ansonsten im endlosen Wald seine Ruhe haben will, der ist hier goldrichtig. Zum Motorradfahren würde ich wohl nicht nochmal dorthin fahren. Am schönsten fand ich es in Jämtlands län. Flatruetvägen war am höchsten und lohn durchaus. Kiruna ist zwar eine Stadt, und keine schöne, aber quasi das Nordkap Schwedens.

    Durch Dänemark und Finnland bin ich nur durchgefahren. Finnland dürfte Schweden nicht unähnlich sein, und Dänemark hat zwar jede Menge Strand und deutsche Touristen, ist aber auch eher kein Motorrad-Reiseziel. Auch nicht für mich.

    Reisen in Europa ist einfach saumäßig genial und einfach. Man kann die historische Leistung derer, die das ermöglicht haben, nicht genug würdigen.

    Die Route:
    Meine Route war zu 99% an Passknackerpunkten ausgerichtet. Die norwegischen Punkte waren überwiegend interessant, bei den schwedischen Punkten gab es ein paar Highlights, bei den anderen blieb man immerhin fern von Zivilisation und Autobahnen.

    Die Ausrüstung:
    Bei den Klamotten überstrahlten alles meine IXS Stiefel mit ihrem Totalversagen! Es ist wirklich grauenhaft, ständig nasse Socken zu haben, nur weil es alle 3 Tage 30 Minuten geregnet hat. Beutel über den Socken sind theoretisch hilfreich, aber bei jedem Schritt riskiert man, dass sie verrutschen oder reißen. Da werde ich nicht nur einen Garantiefall aufmachen, das steht fest… Die etwas übergroße Motorradhose hat sich tapfer geschlagen und war zusammen mit Hosenträgern wesentlich bequemer als das, was ich sonst trage. Die Held Air-n-Dry Handschuhe haben sich okay geschlagen, sind dafür mit über 200 Euro aber eigentlich zu teuer und nicht warm genug unter 15 Grad, zumindest für mich. Die Macna Heizjacke und Heizhandschuhe haben wertvolle Arbeit verrichtet. Die Spidi Jacke mit der IXS Membranjacke drunter hat sich tapfer im Schauer geschlagen, natürlich unterstützt vom Windschild. Die Alpinestars Airbagweste hat mich nicht behindert, und sie macht dir Rücken- und Schulterprotekoren in der Jacke überflüssig. Für den deutschen Teil der Route war sie mir aber zu warm.

    Navigation per Handy ist im Prinzip sehr gut und komfortabel, man sollte aber keine übermäßig alten oder zuvor schon reparierten Handies verwenden. Ich gebe jedenfalls nicht auf!

    Für Camping hatte ich alles dabei. Das Zelt habe ich nie benutzt – das war die Packrolle auf dem Sozius. Den Hocker habe ich 1x benutzt, beim Warten auf die Fähre, ansonsten gab es überall Sitzgelegenheiten. Die Luftmatratze habe ich 2x benutzt, das wäre aber auch irgendwie ohne gegangen. Damit wäre noch 1/3 eines Koffers leer geblieben. Zwecks Wärme hätte ich einen kompakten Daunenschlafsack, einen dünnen Hüttenschlafsack und eine Fleecedecke dabei. Die Fleecedecke habe ich nur 1x benutzt, die hätte einen guten Zeltteppich abgegeben. Dank Vakuumbeuteln braucht sie aber auch wenig Platz. Nächstes Mal würde ich vielleicht nur ein kleines Zelt mitnehmen und nur die Grundausstattung, nicht die Luxusausstattung. Es gab dieses Mal immer Hütten und Zimmer zu einem akzeptablen Preis an geeigneter Lage. Ich hatte auch eine leere Eisteeflasche mir großer Öffnung dabei, was gerade nachts sehr praktisch ist, wenn man kein WC auf dem Zimmer bzw. in der Hütte hat...

    Kontakte:
    Motorradfahrer sind einfach irgendwie cool. CHRistoph als hat sich als Reisebegleiter bewährt und ist eine Runde weiter ;) Merlin kannte ich vor der Abfahrt noch nicht, hat mich aber 1a versorgt und verköstigt, und mein Motorrad ebenfalls. Das war richtig Klasse, leider kann ich es mangels Platz kaum erwidern. Das Versys Jahrestreffen war wieder mal sehr angenehm, und dann sind da noch die „Bunker“, also Gastgeber, die ihre Hütte, ihr Gästezimmer oder auch nur ihre Wiese quasi jedem Motorradfahrer, der fragt, anbieten auf bunkabiker.com, was mir/uns zu immerhin zwei kostenlosen Übernachtungen verholfen hat.

    Reisebericht und Quellen:
    Ich schreibe gerne abends auf, was ich erlebt habe. Das hilft mir selbst, mich zu erinnern – am gleichen Abend, eine Woche später, am Ende der Reise, oder auch 10 Jahre später. Ihr dürft gern daran teilhaben und es als Inspiration für eigene Reisen verwenden. Neben meinen eigenen Erlebnissen bringe ich auch gern etwas Faktenwissen unter, und dieses mal auch im kursiven Teil etwas ausgefallenere Gedanken. Die Quellen dazu sind Wikipedia, norwegische und schwedische Sprichworte, Lyrik vom Norweger Johan Sebastian Cammermeyer Welhaven, ein Songtext des Schweden Per Yngve Ohlin, das japanische Computerspiel Ikaruga, alles jeweils frei übersetzt, und auch eigene Gedanken. Ja, ich habe den Roman „Zen und die Kunst ein Motorrad zu warten“ gelesen und genossen, vielleicht merkt man das. Der ist jetzt übrigens 50 Jahre alt.

    Danke fürs Mitkommen, ich gehe jetzt gern auf eure Rückfragen ein.

    Ihr könnt ruhig neue Themen erstellen zu den hier angeschnittenen Themen, das sind wichtige Informationen, aber das findet ja niemand jemand wieder und wenn er was ergänzen will, ist es ganz vorbei, z.B. zu Passknacker, Klamottendichtigkeit, Umlenkung, Tankdeckel, ..

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    Vogelsberg, wenn ich das richtig sehe, mit nur einem Stern? :denk

    .

    Glück kann man nicht kaufen - aber ein Motorrad und damit fahren - dann ist man ganz nah dran. :)
    - (über 120.000km (seit Sept. 2011) mit zwei Shiver 750) - seit 45 tkm mit >MEGAöler = GPS-Kettenöler

    Vogelsberg
    ...das größte zusammenhängende Vulkangebiet Mitteleuropas. (Wikipedia)

  • Recht Herzlichen Dank nochmals Johannes für deinen tollen Reisebericht …

    - Komme gerne auf Dein Angebot „Nachfrage“ zurück

    Entspanntes Ankommen in DE und Alles Gute 👍

  • Hab dein Bericht immer wieder in Schüben gelesen.

    Vielen Dank fürs mitnehmen!!!!

    Hat beim lesen und Bilder guggn richtig Spaß gemacht.

    Waffeln sind Pfannkuchen mit Waschbrettbauch

  • Sehr schöner Bericht!👍

    Wie schon an anderer Stelle geschrieben war ich letztes Jahr dort mit 2 Kollegen unterwegs: 1 Woche durch DNK, SWE und FIN zum Nordkapp, dann 2 Wochen zurück durch NOR und DNK ins Sauerland.

    Alles auf dem Landweg, große Fähre nur Puttgarden/Rødby 2x genutzt.
    Insgesamt ca. 8.500 km auf einer Yamaha Tracer 700 (die Tuareg habe ich erst seit diesem Jahr).

    In Hütten übernachten mit Selbstversorgung funktioniert für mich top! Zelt haben wir mitgenommen, aber nie ausgepackt.
    Wir hatten keine Panne unterwegs, alle hatten neue Reifen aufgezogen (bei mir Conti Trail Attack 3: Laufleistung hinten ca. 10.500km, vorn ist der immer noch drauf) und das Motorrad vorher durchchecken lassen.
    Empfehlung: macht das 2 Wochen vorher und vor der Fahrt ein paar Runden zuhause, damit eventuelle kleinere Dinge vor der Tour noch zu Hause auffallen.
    Gute Vorbereitung für sich und die Gruppe (Motorrad, Gepäck, Kleidung, in der Nutzung kostenlose Kreditkarte, Mobilvertrag bzw. Datenvolumen, Fähren usw.), sollte man nicht unterschätzen und rechtzeitig angehen.
    Bei einer „nicht eingefahrenen“ Gruppe unbedingt vorher (!) in Ruhe klären was man will (wer plant die Route, wer fährt vor, welche Geschwindigkeit, was ist bei Regen, wann Pausen usw.) Ansonsten gibt es den Stress und Diskussionen unterwegs.

    Ich kann eine solche Tour zum Nordkapp jedem nur empfehlen. Die Passknackerpunkte als Route zu nehmen ist eine Variante. Andere Anregungen gibt es im Web (Reiseblogs, YouTube) genug.

    Beim nächsten Mal würde ich aber versuchen mir mehr Zeit zu nehmen und nicht nur zu „Reisen“ sondern auch öfters „Verweilen“; also 2 oder mehr Übernachtungen am gleichen Platz. Das können sich aber leider nicht viele von uns erlauben.

  • Heute kann ich nicht über instabiles WLAN klagen, denn es gibt hier kein WLAN. Buh! Ist das überhaupt legal? Ja, ich kann mobile Hotspot, aber ich wollte mein Datenvolumen nicht vorzeitig verbrauchen. Das brauche ich durchaus auch unterwegs. Norwegen ist leider nicht sehr großzügig bzw. günstig bzgl. SIM-Karten für Touristen.

    Toller Reisebericht, mir wärs deutlich zu straßenlastig :jopNorwegen und Schweden sind teil des EU Roamings. Es gibt eigentlich keine Notwendigkeit sich eine neue SIM zu besorgen.

  • Toller Reisebericht, mir wärs deutlich zu straßenlastig :jopNorwegen und Schweden sind teil des EU Roamings. Es gibt eigentlich keine Notwendigkeit sich eine neue SIM zu besorgen.

    So ist es; guter Vertrag aus DEU reicht.

    Ich habe trotzdem in 2023 auf der 3-wöchigen Tour durch Skandinavien einen Datenpass zusätzlich gebucht, da die ganze Sucherei zur Routen- und Camping-Hütten-Planung usw. eben Daten benötigt.
    Und das synchronisieren der gemachten Fotos in die Cloud auch.

    Ohne das zusätzliche und damit schnelle Datenvolumen säße ich vermutlich jetzt noch dort vor dem Smartphone in Warteposition ✌️

  • Das war ein sehr gut lesbarer Bericht, da hast Du eine sehr schöne Geschichte erzählt (bist Du Deutschlehrer der etwas besseren Art?).
    Deine Ruhe bewundere ich und auch, dass Du die „Schnitzeljagd“ nach den Passknackerpunkten als Rahmen für die Tour genommen hast. Mich hätte das zu sehr eingeengt, aber vielleicht ist es auch das Stück Druck, was zur täglichen Disziplin mahnt.

    Deine Einschätzung zu den Landschaften von Norwegen (schön, abwechslungsreich) und Schweden (Wald), habe ich auch schon von anderen gehört.
    Norwegen habe ich nur auf einer Dampferfahrt die Küste runter kennengelernt und der Anblick hat mich immer wieder fasziniert.
    Den kurzen Trip zum Nordkap habe ich mir damals geschenkt, weil ich mit diesen „ganz besonderen Orten“ so gar nix anfangen kann (ich bin auch in New York auf keinem einzigen Hochhaus gewesen).

    Auf Norwegen mit dem Moped habe ich nun aber Lust... vielleicht wird ja noch mal was daraus.

    Besten Dank!

    Don't eat the yellow snow where the huskies go (Zappa)

  • Danke für euer positives Feedback :)

    Das war ein sehr gut lesbarer Bericht, da hast Du eine sehr schöne Geschichte erzählt (bist Du Deutschlehrer der etwas besseren Art?).
    Deine Ruhe bewundere ich und auch, dass Du die „Schnitzeljagd“ nach den Passknackerpunkten als Rahmen für die Tour genommen hast. Mich hätte das zu sehr eingeengt, aber vielleicht ist es auch das Stück Druck, was zur täglichen Disziplin mahnt.

    Ich bin nicht sonderlich Deutsch-qualifziert, außer dass ich Muttersprachler bin mit Abitur. Ich hatte in der Schule auch arge Probleme in diesem Fach. Ich verfolge eine Karriere in der IT, und meine ersten Jobs waren sogar komplett auf Englisch. Dafür lese ich gern und viel, und ganz sicher nicht nur Fachliteratur.

    Passknackerpunkte als Planungstool finde ich toll, weil ich nicht sonderlich gut darin bin, mich treiben zu lassen, bzw. weil ich andere Methoden zur Routenplanung mühseliger finde. Was ich mache, wenn ich alle Passknackerpunkte einmal angefahren habe, die Frage steht noch im Raum... aktuell habe ich 4002 von 5069. Manchmal habe ich mich über Sackgassen, Abstecher und weit abseits liegende Punkte gewundert, aber das waren oft die eigenltich Highlights des Tages.