Heizkleidung: Wer hat was

  • Mir ist im November 2023 aufgefallen, dass es Heizkleidung der Marke Macna jetzt bei Polo und Louis gibt. Es gibt eine Jacke, Weste, Hose und Socken zum drunterziehen, außerdem Handschuhe. Alle Komponenten lassen sich miteinander verkabeln, also z.B. Motorrad an Jacke und Jackenärmel an Handschuhe. Wer sich nicht verkabeln will kann auch Akkus verwenden. Das Prinzip gefällt mir gut und auf den ersten und zweiten Blick sah das Zeug bei Polo auch hochwertig verarbeitet aus. Die Steckverbinder sind markenspezifisch, aber recht clever gemacht: Man kann sie nicht falsch oder verdreht einstecken, sie sind praktisch wasserdicht und sie lösen sich von selbst, wenn man stark dran zieht.

    Die Steuerung der Klamotten erfolgt über Druckschalter an den Klamotten selbst oder per Bluetooth über eine App. Letzteres ist hilfreich, wenn man Weste oder Socken natürlich irgendwo unter diversen Schichten trägt und es womöglich auch noch regnet.

    Louis hatte die größere Auswahl an Klamotten und vor allem verschiedenen Kabeln, Polo hatte dafür gerade Rabatte.

    Vielleicht hat schon jemand Erfahrungen damit oder interessiert sich auch dafür?

    Meine bisherigen Erfahrungen mit Heizkleidung beschränken sich auf eine billige USB-Heizweste von Amazon für 24 Euro. Die hat mir im März in Nordspanien und in den Pyrenäen schon sehr geholfen. Wichtig ist, dass man sie möglichst nah am Körper trägt. Man sollte auch nicht zuviel Ausdauer von Akkus erwarten.

    Ich habe inzwischen die Jacke, Handschuhe, Hose und Socken gekauft. Außerdem für 2 Motorräder das Batterie-Kabel und ein Y-Kabel, damit man Hose und Jacke gleichzeitig anschließen kann. Die Socken werden an die Hose angeschlossen, und die Handschuhe an die Jacke. Jacke und Hose haben die Kabel bereits unauffällig integriert. Alles (außer Handschuhe) hat Bluetooth und lässt sich per App steuren.

    Das ist natürlich der Gipfel der Dekadenz an Heizkleidung, aber wenn man drüber nachdenkt, braucht man Bluetooth zur Steuerung von Heizkleidung umso dringender, je tiefer unter den Schichten sie vergraben ist. Und da sind Strümpfe echt weit unten und tief vergraben. Der Druckschalter ist bei allen Macna-Klamotten weiterhin nötig zum ersten Einschalten nach Stromunterbrechung. Das macht man dann idealerweise bevor man losfährt. Die Wärmeleistung lässt sich weiterhin über den Druckschalter ändern, aber ohne gutes haptisches Feedback durch mehrere Lagen (Motorrad-)klamotten.

    Die Kopplung mit der App hat zunächst nicht geklappt. Also ich die App entfernt und neu installiert, dann ging's. Die beiden Strümpfe werden getrennt installiert und können auch getrennt gesteuert werden. Das hat mich überrascht, aber wenn man drüber nachdenkt, könnte es passieren, dass man z.B. im linken Stiefel einen Wassereinbruch, während es rechts noch trocken ist, oder man bei manchen Motorrädern den Krümmer näher linken als am rechten Fuß. Sinnvoller ist es aber, sie zu einer Einheit zu gruppieren, was in der App auch geht, dann werden sie gemeinsam gesteuert.

    Die Stromversorgung erfolgt bei den Socken und Handschuhen entweder per 7,4V-Akku, die ist hinter den Schaltern Platz finden, oder per 12V-Verbindung zur Hose (bzw. Jacke, bei den Handschuhen). Die Akkus und der Schalter tragen zusammen ca. 4 cm auf. Sie liegen bei den Socken außen, knapp unterhalb des Schienbeinkopfs. Das könnte mit der Motorradhose eng werden, besonders wenn Leder getragen wird. Ob's zu meinen Hosen und deren Knieprotektoren passt, muss ich noch testen. Bei den Handschuhe liegen sie auf Unterseite der Stulpe, wo sie nicht stören.

    Beheizt werden bei den Socken tatsächlich nur die vorderen 12 cm, also die Zehen und ca. 40% der Fußsohle. Das reicht aber, damit es spürbar warm wird. Ich habe es bisher nur in der Wohnung getragen. Die Jacke heizt Rücken, Brust und Arme. Die Hose heizt das Gesäß und die Oberschenkel. Die Handschuhe heizen alles an der Hand, was sehr angenehm ist.

    Muss man das haben? Nein! Wollte ich es haben? Ja!

    Probefahrt, 2h bei 5°, trocken. Ich habe Jacke, Hose, Handschuhe, Socken:

    Ich habe unter der Hose keine lange Unterhose getragen, und drüber nur eine Motorrad-Membran-Textilhose mit Winterfutter, keine Regenhose. Am Rumpf eine Motorrad-Membran-Textiljacke ohne Winterfutter und ohne Regenjacke, mit Merino-Longsleeve drunter. Zwischen Heizjacke und Motorradjacke war sonst noch die Airbag-Weste, die nicht sonderlich warm ist. Auf einen Fleece-Pulli habe ich bewusst verzichtet. Über den Heizsocken habe ich noch ein weiteres Paar Socken getragen, hauptsächlich, damit ich die teuren Heizsocken nicht so schnell durchlaufe.

    Es fällt schon beim Anziehen auf, dass die Kabel Socken zu weit unten aus der Hose kommen, aber das ist noch okay. Lästig ist, dass man nach dem Anziehen und Anstecken ans Bordnetz alle Kleidungsstücke einzeln einschalten muss. Dazu muss man die Druckschalter finden, was durch diverse Lagen gar nicht so einfach ist. Danach steuert man per Bluetooth (bzw. die Handschuhe direkt an den Schaltern, aber die sieht man ja). Ich habe das Macna-Kabel bewusst direkt an die Batterie geklemmt, damit ich nicht bei jedem Motorstart erneut die Taster an den Socken, an der Hose und an der Jacke finden muss. Immerhin sieht man in der App, welche Geräte schon angeschaltet sind.

    Die Wirkung war schon auf Stufe 2 von 4 deutlich zu spüren. Es fühlt sich wie Fahren bei 20° an. Das Voltmeter zeigte weiterhin 13,8 V an. Die Heizgriffe habe ich bald reduziert auf Stufe 10W, dafür aber die Socken erhöht. Meine Sitzheizung blieb immer aus. Ich habe gegen Ende der Tour die Heizleistung erhöht, weil ich eine muckelig warmen Rücken bekommen wollte, und den habe ich dann auch bekommen. Die Bordspannung ging auf 13,5 V. Damit fühle ich mich wohl.

    Nach der Tankstelle 5 Minuten vor daheim habe ich mich nicht mehr angekabelt und bin ohne Heizungen weitergefahren. Da wurde es dann schnell frisch. Normalerweise hätte ich mich dicker angezogen, also mit 2 Lagen mehr, u.a. Regenkombi, was natürlich unpraktisch ist.

    Fazit: Bin happy - auch wenn das natürlich Luxus ist und Steilvorlage. Besonders weil mein heutiges Technologie-Level mit Airbag, Android-Auto, Bluetooth-Kopfhörer und Heizungen in der Kleidung und im Motorrad natürlich weit davon weg ist, wie ich als Student angefangen habe Motorrad zu fahren. Aber das geht ja eigentlich keinen was an und tut auch niemandem weh ;)

    Hauptnachteil in der Praxis ist das umständlich Einschalten aller Teile mit dem Druckschalter, tief unter den anderen Lagen, nachdem man das Kabel getrennt hatte.

    Übrigens, Macna nutzt das gleiche Heizsystem wie Klan-e. Die Sachen sind also kompatibel. Bei Louis, gibt's z.B. Handschuhe mit Heizung, aber ohne Akku. Die Macna Handschuhe kommen immer mit Akku und sind daher deutlich teurer. Wenn man die Heizjacke dazu kauft braucht man die Akkus nicht. Und das würde ich empfehlen, weil die Jacke echt viel Wärme in den Körper bringt, und im Reisegepäck einfach den klassischen Fleecepulli ersetzt.

    Fazit nach einer halben Saison: Jacke und Handschuhe sind top. Anstelle der Hose würde ich Sitzheizung empfehlen. An den Füßen war mir bisher noch nie wirklich kalt, das wäre eher was für echte Winterfahrer.

  • Vielen Dank für die sehr ausführliche Beschreibung. Vieles hatte ich ähnlich schon gehört/gelesen: Akkus sind nur begrenzt wirklich hilfreich, mehrere Kleidungsstücke verkomplizieren die Anwendung in der Praxis usw. Macna hatte ich auch schon ins Auge gefasst.

    Blöd finde ich, dass man immer sehr wenig über die tatsächlich beheizten Stellen erfährt bzw. das für mich nicht immer ausreichend klar erläutert ist. Jeder ist ja anders unterwegs und hat unterschiedliches Kälteempfinden.

    Nach meinen Erfahrungen der 3 Wochen Nordkapp-Tour im letzten Jahr kann ich für mich ganz klar sagen:

    1. Oberste Priorität für mich hat 100% wasserdichte Kleidung. Das ist die Grundvoraussetzung aus meiner Sicht um warm zu bleiben. (Ist übrigens beim Wintersport das gleiche Problem).
    Nebenbei sollte sie auch gut belüftet sein; auf der Hinreise hatten wir Ende Juni in SWE und FIN sehr gutes Wetter bei hochsommerlichen Temperaturen.
    Es war für mich ein extremer Gewinn, mir vor der Tour für ein kleines Vermögen 3-lagige Stadler Kleidung gekauft zu haben. Meine Stadler-Kombi kann beides: trocken und luftig.

    2. Ich denke sehr ernsthaft über eine Heizweste, event. auch Heizjacke nach. Warum? Weil man bei kühlem/kalten Wetter immer etwas darunter ziehen muss. Damit man sich noch bewegen kann hat eine beheizbare Weste/Jacke sehr große Vorteile: warm genug bei normalem Wetter, dünn um sich noch bewegen zu können und eben zusätzliche Reserven durch das Beheizen.
    Übrigens haben uns Motorradfahrer die wir in NOR getroffen haben häufig davon berichtet, genau aus diesen Gründen eine relativ dünne beheizbare Weste/Jacke gekauft zu haben. Sie waren alle sehr glücklich mit ihrer Entscheidung.

    3. Ich habe beheizbare Handschuhe Alpinestars HT-5 (mit Akku). Für eine gute Wärmeunterstützung über eine längere Tagestour reicht ein Satz Akkus definitiv nicht.
    Ich muss gestehen, meine 25 Jahre alten Thermoboy mit Goretex (sehr gut erhalten da nur bei extremen Wetter getragen) haben die gleichen guten Dienste für mich geleistet.
    Zu beachten ist ja auch (das war mir so nie bewusst, habe ich aber hier im Forum gelesen): durch das Heizen - auch bei Heizgriffen - kann die Feuchtigkeit u.U. durch die Membran nach innen gelangen. Ergebnis: trotz des Aufwand nasse Finger 😥

    4. Wirklich wasserdichte Boots müssen sein: meine Sidi Adventure 2 mit Ski-Kniestrümpfen waren auf der NOR-Tour bei mir immer100% trocken und dadurch auch immer ausreichend warm. Ich kann nur (aus früheren Urlauben bestätigen), dass man wirklich nasse Stiefel nicht über Nacht trocken bekommt. Das gelingt selbst bei nassen Handschuhen selten. Kennt ihr ja vermutlich alle aus eigener Erfahrung auch.

    Mein Fazit: Kleidung mit der man trocken bleibt lohnt sich, weil „trocken“ die Grundvoraussetzung für „warm“ ist.
    Auch weil man nie anhalten muss um ständig an- und auszuziehen ist es super, solche Bekleidung zu haben.
    Übrigens fährt man auf Dauer so auch sicherer weil man „entspannter drauf ist“. Individuell sollte man das Wohlbefinden unterstützen; dazu reicht bei mir eine beheizbare Weste. Da werde ich mir Macna mal anschauen.

    Gerne lese ich noch weiter Erfahrungsberichte 😎

  • Also bei den gegenwärtigen Außentemperaturen hätte ich eher auf einen Beitrag für Kühlkleidung gehofft.

    Aber klar, der kluge Mann baut vor

    Für eine Tour im Mittelmeer-Raum bin ich zu 100% bei dir. Sogar hier im Sauerland ist das z.Zt. eine absurd erscheinende Diskussion 🌻

    Aber Norwegen und Schottland usw. erfordern eben solche Gedankenspiele im Vorfeld 😁

  • Mein Einstieg in die Welt der Heizkleidung war eine 25 Euro Heizweste von Amazon mit USB-Anschluss. Mit einer Tasche für eine Powerbank - das spürt man auf der kleinsten Stufe schon, ist aber eher daheim bei Bildschirmarbeit hilfreich als bei einer winterlichen Tour. Da muss es dann schon ein USB-Verlängerungskabel sein an einer USB Steckdose mit 3A. Und hat man wieder das Bedienungsproblem, das Macna mit der App und Bluetooth umgeht, zumindest wenn man eh das Handy während der Fahrt bedienen kann.